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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sich dessen sicher sein konnte. Das Licht der Laternen tat ein Übriges, um die Gesichtszüge zu verzerren.
    »Schwester Brónach, bitte seht nach, was Ihr tun könnt, um die Klepsydra wieder richtig einzustellen«, sagte Äbtissin Draigen, die sich nun wieder vollkommen in der Gewalt hatte. »Seit Generationen sind wir in dieser Abtei stolz auf die Genauigkeit unserer Wasseruhr. Tut, was Ihr könnt, damit wir die Zeit wieder richtig berechnen können.«
    Schwester Brónach wirkte verwirrt, beugte jedoch fügsam den Kopf.
    »Ich werde mein Bestes tun, Mutter Oberin, aber …« Sie warf einen furchtsamen Blick auf die Tote.
    »Ich gehe ein paar Schwestern wecken, damit sie unsere unglückliche Gefährtin in den subterraneas bringen. Ihr werdet nicht lange allein sein.«
    Als sie sich schon zum Gehen gewandt hatte, fiel Fidelma plötzlich etwas ein. Sie drehte sich noch einmal zu Brónach um.
    »Habt Ihr mir nicht erzählt, daß die Zeitnehmerin jedes Mal, wenn ein Zeitabschnitt verstrichen und der Gong ertönt ist, die Zeit auf einer Lehmtafel einzutragen hat?«
    Schwester Brónach nickte.
    »Das ist so üblich, für den Fall, daß wir den Überblick über die Zeitabschnitte verlieren.«
    »Um welche Zeit hat Schwester Síomha ihre letzte Eintragung gemacht?«
    Fidelma erkannte, daß sie auf diese Weise den genauen Zeitpunkt des Mordes an Schwester Síomha feststellen konnte.
    Schwester Brónach blickte sich nach der mit Lehm bestrichenen Schreibtafel um. Sie lag verkehrt herum neben der steinernen Feuerstelle.
    »Nun?« drängte Fidelma, während Brónach die Tafel aufhob und in Augenschein nahm.
    »Die zweite Stunde des Tages ist vermerkt und die erste pongc , das heißt, die erste Viertelstunde danach.«
    »So? Dann wurde sie zwischen zwei Uhr fünfzehn und zwei Uhr dreißig heute morgen ermordet«, grübelte Fidelma.
    »Ist das denn wichtig?« fragte Äbtissin Draigen ungeduldig. »Wir wissen doch bereits, wer diese schreckliche Tat begangen hat.«
    »Was glaubt Ihr, wie spät es jetzt ist?« fragte Fidelma sie unversehens.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Ich schon«, schaltete sich Schwester Brónach ein. Sie trat ans Fenster und blickte in den allmählich heller werdenden Nachthimmel. Auf ihrem Gesicht lag ein selbstzufriedener Ausdruck. »Die vierte Stunde des Tages ist längst vorbei. Ich glaube, wir nähern uns der fünften Stunde.«
    »Danke, Schwester«, bestätigte Fidelma geistesabwesend. Ihre Gedanken rasten. Fragend wandte sie sich an die Äbtissin: »Könnt Ihr abschätzen, wie lange es ungefähr her ist, seit Ihr die Tote gefunden habt?«
    Äbtissin Draigen zuckte die Achseln.
    »Ich sehe nicht, daß das eine Rolle spielt …«
    »Trotzdem, sagt es mir«, verlangte Fidelma.
    »Weniger als eine Stunde, würde ich sagen. Ich bin, nachdem ich sie entdeckt hatte, fast augenblicklich zu Euch gekommen.«
    »In der Tat, es ist viel weniger als eine Stunde her«, stimmte Fidelma zu. »Ich würde sagen, wir sind kaum eine halbe Stunde hier.«
    »Wir sollten lieber Schwester Berrach suchen, anstatt mit diesen Nebensächlichkeiten Zeit zu vergeuden«, beharrte Äbtissin Draigen.
    »Könnt Ihr das arme Mädchen nicht erst morgen früh verhören?« Es war Schwester Brónach, die das sagte, sehr zu Draigens Überraschung. »Schwester Berrach steht noch unter dem Schock, die Tote gefunden zu haben.«
    Fidelma fragte: »Hat sie denn gesagt, daß sie sie gefunden hat?«
    »Nicht ausdrücklich. Sie erzählte nur, daß sie Schwester Síomha im Turm sah – tot. Also liegt es doch auf der Hand, daß sie den Leichnam gefunden hat.«
    »Vielleicht«, erwiderte Fidelma. »Ich denke, wir sollten Schwester Berrach trotzdem jetzt gleich aufsuchen. Nur eines noch, Schwester Brónach – da Ihr gerade hier seid«, fügte sie hinzu, so daß Äbtissin Draigen ein ungeduldiges Stöhnen entfuhr. »Sagt Euch der Name Morrigan irgendwas?«
    Schwester Brónach erschauerte.
    »Kennt denn nicht jeder den Namen des Bösen, Schwester? In alter Zeit, bevor das Wort Christi in dieses Land gebracht wurde, galt sie hier als Göttin des Todes und als Kriegsgöttin. Sie war die Gottheit, die alles Widernatürliche und Schreckliche verkörperte.«
    »Ihr kennt also die alten heidnischen Traditionen?« bemerkte Fidelma.
    Schwester Brónach spitzte die Lippen.
    »Wer weiß denn nicht über die alten Götter und Göttinnen und die alten Traditionen Bescheid? Ich bin hier in den Wäldern aufgewachsen, wo viele noch immer dem früheren Glauben

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