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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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schüren«, sagte Fidelma, ohne auf Draigens Erwiderung einzugehen. »Was dachtet Ihr eigentlich, was sie durch eine derartige Anstiftung zum Mord erreichen würde? Habt Ihr geglaubt, Ihr, die Ihr als Äbtissin verantwortlich für solches Handeln seid, würdet ungestraft davonkommen?«
    Äbtissin Draigen erwiderte unerschrocken ihren Blick.
    »Ich wußte, daß Lerben und ihre Mitschwestern Berrach verurteilt hatten. Sie handelten in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz, und ich unterstützte ihre Entscheidung. Ich glaube, daß Berrach des Mordes an Schwester Síomha schuldig ist. Die heidnischen Symbole bedeuteten Böses. Im Fünften Buch Mose steht geschrieben, daß alle, die derart Böses praktizieren, der Gotteslästerung schuldig sind und vertrieben werden müssen. Schwester Lerben handelte in Übereinstimmung mit den Lehren von Erzbischof Ultan. Ich billige ihr Handeln. Ich unterstehe der Autorität von Armagh.«
    Fidelma kam zu dem Schluß, daß Aristoteles große Weisheit bewiesen hatte, als er sagte, jeder könne sich vom Zorn hinreißen lassen, das Geheimnis bestehe jedoch darin, genau zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Person wütend zu sein, und das im richtigen Ausmaß und in der richtigen Weise. In Wirklichkeit war es die Äbtissin, mit der sie sich auseinandersetzen mußte. Schwester Lerben war lediglich ihr Sprachrohr und von Draigen zweifellos genauestens instruiert worden. Jetzt war jedoch nicht der Zeitpunkt, auf Äbtissin Draigen wütend zu sein, denn Fidelmas Wut würde an der Äbtissin abprallen wie an einer Mauer.
    »Laßt uns eines klarstellen: gegenwärtig sprechen genauso viele Beweise für Schwester Berrachs Schuld an der Ermordung Schwester Síomhas wie für Eure oder Schwester Brónachs Schuld. Ihr habt Lerben zur Gewalt angestiftet und die heimlichen Ängste geschürt, die die Behinderung der bedauernswerten Berrach bei ihren Mitschwestern auslöst. Das entspricht keineswegs der Art und Weise, wie ein Christ handeln sollte. Deshalb verlange ich von Euch die Garantie, daß Berrach kein Leid zugefügt wird, bis ich meine Untersuchung abgeschlossen habe.«
    Äbtissin Draigen spitzte die Lippen.
    »Ich werde nicht schwören, denn das verbietet die Bibel.«
    Fidelma lächelte zynisch.
    »Ich kenne den Passus, auf den Ihr Euch bezieht, Mutter Oberin. Er steht im fünften Kapitel bei Matthäus. Christus sagt zwar, man solle nicht schwören, schon gar nicht bei etwas Heiligem, doch er ermahnt die Menschen, mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ zu antworten. Deshalb will ich Euch ermahnen, ›Ja‹ zu sagen und damit die Sicherheit Berrachs zu garantieren. Die andere Antwort wäre ›Nein‹, und falls Ihr ablehnt, werde ich Abt Broce in Ros Ailithir von der Angelegenheit in Kenntnis setzen und Schwester Berrach persönlich beschützen müssen.«
    Äbtissin Draigen schnaubte wütend.
    »Dann sollt Ihr Euer ›Ja‹ bekommen. Ich werde nichts mehr dazu sagen, nur, daß auch ich jemanden von der Angelegenheit in Kenntnis setzen werde – nicht Broce, sondern Ultan von Armagh persönlich.«
    Fidelmas Augen wurden schmal.
    »Soll das heißen, daß Ihr es vorzieht, in unserem Land den Lehren Roms zu folgen?«
    »Ich bin Anhängerin der Schule Roms«, gab die Äbtissin zu.
    »Dann wissen wir wenigstens, wo wir stehen«, erwiderte Fidelma leise.
    Schwester Fidelma war sich des sich zuspitzenden Konfliktes zwischen der Kirche der fünf Königreiche von Éireann und der Kirche Roms sehr wohl bewußt. Auch die Debatte über die dazugehörigen Rechtssysteme wurde immer erbitterter. Irland konnte auf eine lange Rechtstradition zurückblicken, seit vor eintausendzweihundert Jahren Oberkönig Ollamh Fodhla angeordnet hatte, die Gesetze der Brehons, der irischen Richter, zu einem einheitlichen Gesetzbuch zusammenzufassen. Doch mit dem Neuen Glauben waren auch neue Ideen ins Land gekommen. Von Rom aus hatten die Vertreter des Christentums ihr eigenes Kirchenrecht aufgestellt und die Gesetze der Länder, die sie bekehrten, verunglimpft. Das kanonische Recht beruhte auf Entscheidungen, die auf den Synoden der Bischöfe und Äbte getroffen wurden. Es bezog sich angeblich zwar nur auf die Leitung der Kirchen und des Klerus und auf das Spenden der Sakramente, begann mittlerweile aber auch, das jeweilige Zivilrecht in Frage zu stellen.
    In einigen wenigen Fällen hatten religiöse Institutionen den Anspruch erhoben, ihre Gesetze über das Zivilrecht, ja sogar über das Strafrecht zu stellen. Derlei geschah allerdings

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