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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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besser, zu streiten als wütend zu sein.«
    Die Äbtissin schwieg empört, während Fidelma ihren Angriff fortsetzte.
    »Eines würde mich noch interessieren, Mutter Oberin. Wenn Ihr das glaubt, was Ihr behauptet, warum habt Ihr dann überhaupt Abt Broce gebeten, einen Brehon zu schicken, der den Fall untersucht? Ihr respektiert die weltlichen Gesetze doch gar nicht und wollt sie auch nicht anerkennen.«
    »Noch unterstehen wir der weltlichen Gerichtsbarkeit«, erwiderte die Äbtissin in angriffslustigem Ton. »Als bó-aire bekleidet Adnár auch das Amt des Friedensrichters. Ich würde mich sogar der Macht des Teufels beugen, wenn ich dadurch die Macht meines Bruders eindämmen und seine Einmischung in die Angelegenheiten dieser Abtei unterbinden könnte.«
    Fidelmas Mimik verriet Enttäuschung.
    »Ihr erkennt das Gesetz der Brehons also nur an, wenn es Euch nützlich ist? Damit geht Ihr Eurer Gemeinschaft nicht gerade mit gutem Beispiel voran.«
    Draigen brauchte eine Weile, bevor sie sich erholte.
    »Ihr könnt mich nicht überzeugen. Ich stehe zu Ultans Erklärung, daß dieses Buch rechtsgültig ist.«
    Fidelma neigte den Kopf.
    »Das steht Euch frei, Mutter Oberin. In diesem Fall sollte ich Euch allerdings darauf hinweisen, daß die Gesetze der römischen Kirche, auf die Lerben heute morgen Bezug nahm, hier keinerlei Rechtmäßigkeit besitzen.«
    »Und welche sind das?« wollte Draigen wissen.
    »Sämtliche Gesetze, die, wie Lerben behauptet, ihr die Vollmacht geben, Schwester Berrach gefangenzunehmen und zu töten, falls sie des Verbrechens, dessen Ihr sie anklagt, für schuldig befunden würde. Zweifelsohne habt Ihr Lerben, die noch sehr jung ist, in diesen Fragen Anweisungen erteilt. Sie hat das Buch Mose, Kapitel zweiundzwanzig, Vers siebzehn zitiert.«
    Draigen nickte.
    »Ihr kennt die Bibel gut. Ja, so lautet das Gesetz: die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen. Auf dieser Grundlage könnte Berrach, sofern bewiesen wird, daß sie eine Zauberin ist und heidnische Rituale praktiziert, hingerichtet werden.«
    »Wenn Ihr jedoch zu Ultans Erklärung steht und wenn Ihr in diesem Text, der vorgibt, seit Patricks erster Synode in diesem Land Gesetzeskraft zu besitzen, eine Rechtfertigung sucht, dann nehmt ihn zur Hand und lest mir das sechzehnte Gesetz vor.«
    Verunsicherung beschlich die Äbtissin, während sie den Blick der jüngeren Frau erwiderte. Nach kurzem Zögern nahm sie das Buch und begann zu lesen.
    »Würdet Ihr das Gesetz laut vorlesen?« drängte Fidelma.
    »Ihr kennt es doch ohnehin«, entgegnete Draigen ärgerlich.
    Fidelma nahm ihr freundlich das Buch aus der Hand und begann zu lesen.
    »Jeder Christ, der glaubt, daß es auf der Welt so etwas wie Zauberinnen gibt, und der jemanden der Zauberei bezichtigt, wird exkommuniziert und nicht wieder in die Kirche aufgenommen, bevor er – durch persönliche Erklärung – seine verbrecherische Anschuldigung widerrufen und mit aller Strenge Buße getan hat.«
    Bedächtig schloß Fidelma das Büchlein und legte es wieder hin. Dann lehnte sie sich zurück und betrachtete die Äbtissin nachdenklich.
    »Steht Ihr noch immer zu Ultans Erlässen? Denn wenn dem so ist, müßt Ihr auch akzeptieren, daß Ihr Euch diesem Kirchenrecht voll und ganz zu unterwerfen habt.«
    Äbtissin Draigen antwortete nicht. Sie war offensichtlich verwirrt.
    »Die Konsequenzen sind eindeutig festgelegt.« Fidelma sprach leise, doch in verächtlichem Tonfall. »Exkommunikation oder öffentliche Widerrufung der Anschuldigungen und Buße mit aller Strenge.«
    Äbtissin Draigen schluckte.
    »Ihr seid listig wie eine Schlange«, zischte sie kaum hörbar. »Ihr bestreitet, daß man diesem Gesetz zu gehorchen hat, und benutzt es dennoch, um mich zur Strecke zu bringen.«
    »Keineswegs«, erwiderte Fidelma, ohne auf die Beleidigung einzugehen. » Veritas simplex oratio est – die Sprache der Wahrheit ist einfach.«
    »Dennoch erkennt Ihr das Gesetz, das Ihr jetzt anwenden wollt, grundsätzlich nicht an«, wiederholte die Äbtissin stur.
    »Aber Ihr behauptet, daß Ihr es anerkennt. Wenn Euer Denken irgendeiner Logik folgt, habt Ihr dem Gesetz zu gehorchen. Denn Ihr wart doch diejenige, die darauf Bezug genommen hat, und zwar als Rechtfertigung für ein Verbrechen, das hier beinahe begangen worden wäre.«
    Die Glocke auf dem Turm hatte zu läuten begonnen.
    Schwester Lerben trat ein. Sie bedachte Fidelma mit einem hochmütigen Blick.
    »Ich nehme an, Ihr legt Wert darauf zu erfahren,

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