04_Es ist was Faul
Sie
kriegen Ihren Mann bald zurück. Darf ich Ihnen noch etwas
sagen, was vielleicht nützlich ist?«
»Ja, natürlich.«
»Lassen Sie Smudger nicht im Angriff spielen. In der Verteidigung ist er besser, besonders wenn Biffo ihn unterstützt. Und
wenn ihr gewinnen wollt, müsst ihr von Anfang an offensiv
spielen.«
»Danke«, sagte ich langsam. »Sehr liebenswürdig von Ihnen.«
Ich umarmte sie zum Abschied, und meine Mutter folgte –
etwas zögerlich – meinem Beispiel, obwohl sie wahrscheinlich
immer noch dachte, dass Emma ein Techtelmechtel mit meinem Vater gehabt hatte. Einen Augenblick später löste sich
Emma in Luft auf.
»Tja«, sagte meine Mutter und wischte sich die Hände an der
Schürze ab. »Jetzt ist sie weg. Ich bin froh, dass sie ihren Ehemann wieder hat.«
»Ja«, sagte ich etwas zaghaft und ging Hamlet suchen. Er saß
draußen auf der Bank im Rosengarten und war tief in Gedanken versunken.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich und setzte mich neben ihn.
»Sagen Sie ehrlich, Miss Next. Bin ich ein Zauderer?«
»Nein – eigentlich nicht.«
»Seien Sie bitte ganz ehrlich!«
»Na ja, ein bisschen zaudern Sie schon.«
Hamlet stöhnte und verbarg sein Gesicht in den Händen.
»Oh, welch ein Tropf und Bauernlump ich bin! Ein Sklave
dieses Stücks mit so viel Widersprüchen, dass die Gelehrten
Bände schreiben, um mich zu erklären. Erst liebe ich Ophelia,
dann bin ich grausam zu ihr. Mal bin ich ein erwachsener
Mann, mal ein bockiger Knabe, mal ein melancholischer Einzelgänger, mal ein Witzbold. Ich kann mich nicht entschließen,
ob ich ein Philosoph oder ein störrischer Teenager bin, ein
Dichter oder ein Mörder, ein Mann der Tat oder ein zaudernder Feigling. Vielleicht bin ich verrückt, vielleicht tue ich aber
auch nur so. Mein Vater war offensichtlich ein kriegslüsternes
Scheusal. War es da wirklich so schlimm, dass ihn Claudius
umgebracht hat? Habe ich tatsächlich einen Geist gesehen? Wie
lange war ich in England? Wie alt bin ich überhaupt? Ich habe
sechzehn verschiedene Hamlet-Filme gesehen, drei Cartoons
gelesen, fünf verschiedene Inszenierungen angeschaut und
außerdem noch ein Hörspiel gehört. Alles, von Sir Laurence
Olivier bis zu Gibson, Barrymore und William Shatner.«
»Ja, und?«
»Sie sind alle verschieden.«
Verzweifelt griff er nach seinem Totenschädel und musterte
ihn, ehe er fortfuhr. »Können Sie sich eigentlich vorstellen, was
für ein Stress das ist, wenn man das größte Rätsel der Dramenwelt ist?«
»Es muss ganz unerträglich sein.«
»Genau. Es wäre natürlich noch schlimmer, wenn mich jemand tatsächlich erklärt hätte – aber davon sind sie ja weit
entfernt. Wissen Sie, wie viele Bücher es über mich gibt?«
»Hunderte?«
»Tausende! Und voller Verleumdungen! Am schlimmsten ist
diese Ödipus-Sache. Der Gutenachtkuss für meine Mutter wird
länger und länger. Wenn ich diesem Freud je begegne, kriegt er
eins auf die Nase. Mein Stück ist totale Scheiße. Vier Akte lang
wird bloß geredet, und es passiert überhaupt nichts. Man fragt
sich, warum die Leute sich so etwas ansehen.«
Seine Schultern sackten herunter, und er schien leise zu
schluchzen. Ich tätschelte seinen Rücken. »Wir sehen uns das
Stück doch gerade deshalb an, weil Sie so kompliziert sind!«,
sagte ich. »Sie sind eine wahrhaft tragische Figur, die alles
hinterfragt, alle Schande des Lebens und jeden Betrug. Wenn
wir bloß action sehen wollten, würden wir uns Karate-Filme
ansehen.«
Er schüttelte traurig den Kopf.
»Ich wünschte, Sie hätten recht. Aber so geht es nicht weiter,
Horatio.«
»Ich bin Thursday.«
»In Ordnung. Es muss was geschehen. Ich brauche einen
Konfliktberater.«
Das klang gar nicht gut.
»Einen Konfliktberater? Sind Sie sicher, dass das eine gute
Idee ist?«
»Vielleicht kann ich auf diese Weise den Streit mit meinem
Onkel beilegen – und mit diesem Schwachkopf Laertes. Und
wenn nicht, dann stech ich sie einfach ab.«
Ich dachte einen Augenblick nach. Ein zu allem entschlossener, draufgängerischer Hamlet war vielleicht nicht optimal, aber
da es im Augenblick gar kein Stück gab, wohin ich ihn hätte
zurückschicken können, verschaffte mir der Konfliktberater
vielleicht ein paar Tage Zeit. Ich beschloss, mich erst einmal
nicht einzumischen.
»Wann reden Sie denn mit Ihrem Berater?«
Er zuckte die Achseln. »Morgen. Oder vielleicht übermorgen.
Wissen Sie, Konfliktberater sind viel beschäftigte
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