04_Es ist was Faul
Zusammenhang mit einem Programm zur Produktivitätssteigerung wurden gestern Befürchtungen laut, dass in
den Betrieben der Goliath Corporation die Menschenrechte
verletzt werden könnten. Der Konzern bestritt das energisch. »Das Zumauern sämtlicher Millionen Fenster in unseren Arbeitsstätten dient ausschließlich dem Fortschritt.
Wir versuchen damit, denjenigen Angestellten zu helfen, die
unter einem Aufmerksamkeitsdefizit leiden. Außerdem soll
damit der Verbrauch von chemikalienhaltigen Glasreinigern um einige Hunderttausend Gallonen gesenkt und die
Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle von Fensterputzern praktisch auf null reduziert werden.« Anschuldigungen, der
Werkschutz der Firma sei eine »gefährliche Schlägertruppe«, wurden mit einer dreihundert Seiten starken Klageschrift beim Obersten Gerichtshof beantwortet, die von
mehreren muskulösen Männern mit Tätowierungen auf den
Oberarmen persönlich eingereicht wurde.
TOAD am SONNTAG,
3. Juli 1988
Der Dom von Swindon ging bis ins Jahr 1289 zurück und
konnte sich mit den Kathedralen von Canterbury und York
messen, bis er im Herbst des Jahres 1536 ein feuriges Ende
nahm. Seitdem wurde sein Standort mindestens viermal überbaut und wird heute von einem ganz anderen Tempel bean-sprucht: von Tesco's. Wo einst die Mönche im Gebet durch die
Kreuzgänge zogen, kann man jetzt Lola-Vavoom-Videos kaufen, und wo einst die Fenster aus farbigem Glas die Herzen der
Gläubigen rührten, steht jetzt eine Vitrine mit sechsundzwanzig
verschiedenen Wurstsorten.
Ich nahm meinen Platz ein und setzte Friday auf meinen
Schoß. Er strampelte unruhig, während ich mich umsah. Der
Parkplatz des Supermarkts war zum Zuschauerraum eines
frommen Spektakels umfunktioniert worden. Die Ehrengäste,
so wie ich, saßen auf einer kleinen Tribüne aus Stahlrohr und
Brettern, die anderen standen einfach hinter einer Absperrung
auf dem Asphalt. Schauplatz der Ereignisse sollte der kleine
Platz vor dem verwitterten gotischen Steinbogen sein, der
zwischen der Rückgabestelle für die Einkaufswagen und dem
Haupteingang stand und das letzte Überbleibsel des ehedem so
gewaltigen Doms war.
»Wie geht's?«, fragte Joffy, der nicht nur Priester der GSG,
sondern auch das Oberhaupt der Idolatrischen Freunde des hl.
Zvlkx war.
»Gut«, sagte ich. »Ist das nicht Lydia Startright da vorn?«
Ich zeigte auf die gut gekleidete Fernseh-Reporterin unmittelbar vor der Absperrung, die sich auf ihren Auftritt vorbereitete.
»Ja. Sie wird gleich ein Interview mit mir machen. Wie sehe
ich aus?«
»Sehr … religiös.«
»Gut. Entschuldige mich bitte.«
Er rückte seinen geistlichen Kragen zurecht und ging zu Lydia hinüber.
»Wann wird der gute alte Zvlkx denn erscheinen?«, fragte
der schwarz gekleidete Regisseur.
»In ungefähr fünf Minuten«, sagte Joffy.
»Prima. Dann gehen wir jetzt mal auf Sendung. Los, Lydia,
stell dich in Positur.«
Lydia konzentrierte sich, warf einen letzten Blick auf ihre
Notizen, wartete auf den Countdown des Regisseurs, lächelte
freundlich und fing an zu sprechen.
»Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren, hier
spricht Lydia Startright für TNN in einer Live-Übertragung aus
Swindon. In weniger als fünf Minuten erwarten wir hier an
dieser Stelle die offizielle Wiederauferstehung des heiligen
Zvlkx.«
Sie wandte sich um und zeigte auf den verwitterten Steinbogen, der seit Ewigkeiten auf dem kleinen Rasenstück vor dem
Supermarkt vor sich hin bröselte, jetzt aber im Mittelpunkt der
Medien-Aufmerksamkeit stand.
»Hier an dieser Stelle erhob sich einst die mächtige Kathedrale von Swindon, für die St Zvlkx im 13. Jahrhundert den
Grundstein gelegt hat. Hinter der Theke mit dem frischen Fisch
hat er sein Buch der Offenbarung verfasst. Von den sieben
darin enthaltenen Prophezeiungen haben sich, wie seine Anhänger sagen, fünf schon bewahrheitet. Andere widersprechen
dieser Behauptung. Um ein wenig Licht in die Kontroversen zu
werfen, die sich an diesen Prophezeiungen entzündet haben,
habe ich mich mit Irrwürden Joffy Next von der örtlichen
Gemeinde der Globalen Standard-Gottheit verabredet, der
zugleich Sprecher der Idolatrischen Freunde von St Zvlkx und
damit ein Experte für die Zvlkxische Theologie ist. Hallo, Joffy,
schön, dass Sie da sind.«
»Vielen Dank, Lydia«, sagte Joffy. »Wir bei der GSG sind alle
begeistert von Ihnen.«
»Vielen Dank. Joffy, sagen Sie mir doch bitte, worin genau
bestehen
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