04_Es ist was Faul
Pinguinfleisch hat. Diese objektive Untersuchung sollte das Ergebnis
haben, dass ein gesunder Erwachsener wöchentlich eine Pinguinration von … einem Pinguin braucht.«
»Und was ist mit dem zweiten Punkt?«, fragte ein anderes
Vorstandsmitglied. »Wie sollen wir mit der allgemein positiven
Wahrnehmung der Pinguine in der Öffentlichkeit umgehen?«
»Auch die ist nicht unüberwindlich, Sir. Wenn Sie sich erinnern, hatten wir ein ähnliches Problem bei der Markteinführung der Babyrobben-Burger, und das ist heute eine unserer
erfolgreichsten Produktlinien. Ich schlage vor, wir stellen die
Pinguine als stumpfsinnige, kaltherzige Vögel hin, die darauf
bestehen, ihre Jungen in Gegenden auszubrüten, die bestenfalls
das Eisfach der Erde darstellen. Das Problem mit dem Artenschutz könnten wir sogar zu unserem Vorteil verwenden. Ich
denke da an den Slogan: Essen Sie einen Pinguin, solange es noch
welche gibt!«
»Genau«, sagte ein anderes Vorstandsmitglied. »Echte Leckerbissen werden selten! Feinschmecker essen sie, ehe sie aussterben.«
»Das hat nicht genug Schmackes«, sagte ein Dritter. »Wie
wäre es mit: Hau den Pinguin in die Pfanne, ehe es ein anderer
tut?«
»Mir gefällt mein Slogan besser.«
Jarvis setzte sich wieder und wartete auf die Entscheidung
des Vorstandsvorsitzenden.
»Ja, so machen wir's. Warum nehmen wir nicht als zusätzliches Motto: Antarktis, die Neue Arktis. Lassen Sie eine Kampagne organisieren. Die Sitzung ist hiermit beendet.«
Die Vorstandsmitglieder schlugen alle gleichzeitig ihre Vorlagen zu und bewegten sich in einer geordneten Reihe zum
Ausgang, wo eine Wendeltreppe hinabführte. Nur der CEO und
Brik Schitt-Hawse blieben zurück. Der CEO stellte seinen
Aktenkoffer vor mir auf den Tisch und sah mich gelassen an.
»Nun, was meinen Sie?«
»Was ich denke?«, sagte ich überrascht. »Wie wäre es mit:
moralisch verkommen!«
»Ich glaube, früher oder später werden Sie feststellen, dass es
Gut und Böse nicht gibt, Miss Next. Moralische Urteile können
immer erst aus dem sicheren Abstand von – sagen wir – zwanzig Jahren gefällt werden. Schon wegen der kurzen Legislaturperioden ist es Parlamenten daher leider unmöglich, etwas nachhaltig Gutes zu tun. Aus diesem Grund bleibt es den großen
Konzernen überlassen, die Dinge zu tun, die für uns alle gut
sind. Eine Regierung bleibt vielleicht fünf Jahre im Amt, große
Firmen können Jahrhunderte alt werden, und sie müssen auch
nicht dauernd der Presse Rechenschaft ablegen. Die Umwandlung von Goliath in eine Religionsgemeinschaft ist der logische
nächste Schritt.«
»Oh, nein, Mr Goliath«, sagte ich. »Eine Religionsgemeinschaft wollen Sie werden, um die Siebente Offenbarung des hl.
Zvlkx zu umgehen.«
Er musterte mich mit durchdringenden grünen Augen.
»Entgehen, Miss Next. Nicht umgehen. Ein kleiner, feiner
Unterschied. Besonders juristisch. Im Rahmen der Gesetze
können wir versuchen, irgendwelchen zukünftigen Entwicklungen zu entgehen. Umgehen dürfen wir sie aber nicht. Solange
wir nachweisen können, dass eine 49,9-prozentige Chance
besteht, dass unsere zukunftsändernden Bemühungen fehlschlagen, befinden wir uns noch im Rahmen der Rechtsordnung. Alles andere ist kriminell. In der Beziehung ist die ChronoGarde sehr streng, und es wäre töricht von uns, die Gesetze
zu brechen.«
»Sie haben mich doch nicht hier heraufgebeten, um juristische Begriffe zu diskutieren, Mr Goliath, oder?«
»Nein, Miss Next. Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, um
Ihnen, einer unserer entschiedensten Widersacherinnen, zu
erklären, was Goliath will. Ich habe selbst meine Zweifel, aber
wenn ich Verständnis bei Ihnen finde, dann werde ich endgültig davon überzeugt sein, dass es gut und richtig ist, was wir tun.
Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?«
»Bitte«, sagte ich, nur allzu gehorsam. Mr Goliath hatte eine
sehr starke Persönlichkeit.
»Die Menschen sind durch die Evolution zum kurzzeitigen
Denken verdammt worden, Miss Next«, sagte er. Seine tiefe
Stimme vibrierte in meinem Kopf. »Um biologisch erfolgreich
zu sein, genügt es, wenn wir unsere Kinder zur Geschlechtsreife
bringen. Darüber müssen wir jetzt endlich hinauskommen.
Wenn wir diesen Planeten auf Dauer bewohnen wollen, müssen
wir nachhaltig planen. Goliath hat einen Tausendjahrplan für
uns entworfen. Die Verantwortung für diesen Planeten ist viel
zu groß, als dass man sie einer Bande von zerstrittenen Regie-rungen
Weitere Kostenlose Bücher