04_Es ist was Faul
angestrengt darüber nach«, sagte ich, obwohl ich
eigentlich nichts dergleichen getan hatte.
»Sehr gut! Wir können den ersten Konvoi sofort losfahren
lassen, wenn Sie Bescheid sagen. Was wollen Sie über den
Dienst hören? Einen Bericht über die Schüsse aus fahrenden
Autos, mit denen sich die Capulets und die Montagues neuerdings umzulegen versuchen? Oder interessiert es Sie mehr,
welche Autoren als Nächste den Drogentest machen müssen?«
»Weder noch«, sagte ich. »Erzählen Sie mir lieber, was Sie
über Shakespeare-Klone wissen.«
»Diese Untersuchungen mussten wir weitestgehend zurückstellen. Es ist zwar ein spannendes Thema, aber was Recht und
Gesetz angeht, doch eher zweitrangig, weil alle, die daran beteiligt gewesen sein könnten, entweder tot sind oder zumindest zu
alt, als dass man sie noch vor Gericht stellen könnte.«
»Es geht mir dabei mehr um die BuchWelt«, sagte ich. »Aber
wichtig ist es durchaus.«
»Na, wenn das so ist«, sagte Bowden. »Wir untersuchen derzeit drei verschiedene Shakespeares. Sie sind alle zwischen
fünfzig und sechzig – könnten Sie bitte diese AndersenMärchen einpacken? Wenn sie tatsächlich geklont worden sind,
dann muss es in den wilden dreißiger Jahren passiert sein, als es
noch keine strengen Gesetze gab und die Leute noch dachten,
sie könnten für die Olympiade Marathonläufer mit vier Beinen
und Schwimmer mit echten Flossen heranzüchten. Lassen Sie
mich nachsehen. Der erste bestätigte Will-Klone tauchte im
Jahre 1952 auf, als ein gewisser Mr Shakstpear in Tenbury Wells
versehentlich erschossen wurde. Dann gab es 1958 den ungeklärten Todesfall eines Mr Shaxzpar und den eines Mr
Shogtspore im Jahre 1969, aber es gab noch weitere Fälle –«
»Und was gab es für Theorien?«
»Ich glaube«, sagte Bowden, »dass jemand das Genie nachbauen wollte. Die Täter hofften wohl, dass er noch ein paar tolle
Stücke schreiben würde, die sie dann vermarkten könnten. Das
ist natürlich moralisch verwerflich und obendrein illegal, aber
für Shakespeareforscher höchst reizvoll. Dass keine jungen
Shakespeares aufgetaucht sind, lässt mich vermuten, dass die
Experimente schon vor langer Zeit eingestellt worden sind.«
Es entstand eine Pause, während ich die Informationen verarbeitete. Das Retro-Klonen von Menschen war streng verboten. Kommerzielle Gentechniker würden so etwas auf keinen
Fall tun. Andererseits hatten nur die wirklich großen Firmen
die technischen Möglichkeiten, um so etwas zu versuchen. Und
wenn drei von den Klonen so lange gelebt hatten, dann war es
ziemlich wahrscheinlich, dass es noch andere gab. Und da der
echte Shakespeare schon so lange tot war, blieb uns gar nichts
anderes übrig, als einen geklonten zu suchen, wenn wir die
Lustigen Weiber von Helsingör wieder auflösen wollten.
»Gehört das nicht eigentlich zum Bereich von SO-13?«, fragte ich schließlich.
»Offiziell, ja«, sagte Bowden, »aber SO-13 leidet genauso unter den Mittelkürzungen wie wir, und Agent Stiggins ist viel zu
sehr mit Chimären und Mammutwanderungen beschäftigt, als
dass er sich um geklonte elisabethanische Dramatiker kümmern
könnte.«
Stiggins, ein vor drei Jahrzehnten von Goliath rekonstruierter Neandertaler, war der äußerst fähige Chef der Klon-Polizei.
»Haben Sie mal mit ihm geredet?«, fragte ich.
»Er ist ein Neandertaler«, erwiderte Bowden. »Die reden
nicht, wenn es nicht absolut notwendig ist. Ich hab's ein paar
Mal versucht, aber er schaut mich immer bloß merkwürdig an
und isst dabei lebende Käfer aus einer Papiertüte – brr.«
»Mit mir würde er schon reden«, sagte ich. Und das stimmte.
Ich schuldete ihm noch einen Gefallen, weil er mir sehr geholfen hatte, als Flanker wieder mal hinter mir her war. »Schauen
wir doch mal, ob er da ist.«
Ich griff nach dem Telefon und sah zu, wie Bowden weitere
verbotene Bücher einpackte. Wenn er erwischt werden sollte,
war er erledigt. Das wäre schon sehr bitter: ein LitAg, der wegen
Farquitts Quartett der Liebe ins Gefängnis geschickt wurde. Ich
schätzte ihn nur umso mehr. Kein echter LitAg würde bewusst
einem Buch schaden. Und ehe wir ein Buch verbrennen würden, würden wir alle den Dienst quittieren.
»O je«, sagte ich und legte den Hörer zurück. »Sein Büro
sagt, im Brunel Centre hätte es einen Schimären-Alarm gegeben. Vielleicht finden wir Stiggins da.«
»Wo genau im Brunel Centre?«
»Wenn es ein Schimären-Alarm ist, brauchen
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