04_Es ist was Faul
immer besonders abstoßend. Man hatte
den Eindruck, dass irgendjemand versucht hatte, einen lieben
Verstorbenen nachzuschaffen oder auf illegitime Weise einen
Sohn zu erzeugen.
»Abstoßend?«, sagte eine Stimme dicht hinter mir. »Meinen
Sie das Geschöpf? Oder meinen Sie seinen Schöpfer?« Ich
wandte mich um und sah einen stämmigen Neandertaler im
hellen Anzug mit wulstigen Brauen und einem Homburg auf
dem gerundeten Schädel. Das war Bartholomew Stiggins, der
Leiter von SO-13 in Wessex.
»Beide«, sagte ich.
Stiggins nickte unmerklich, während ein blauer Landrover
von SO-13 mit kreischenden Bremsen neben uns hielt. Ein
uniformierter Beamter sprang heraus und versuchte, Bowden
und mich abzudrängen.
»Die gehören zu uns«, sagte Stiggins.
Zusammen gingen wir ein paar Schritte vorwärts und traten
bis auf Armeslänge an die Schimäre heran.
»Echse, Ziege, Katze, Mensch«, murmelte der Neandertaler,
hockte sich vor die Schimäre und sah zu, wie sie mit ihrer
dünnen, gespaltenen Zunge eine Tüte Kartoffelchips ausleckte.
»Die Augen sehen insektoid aus«, sagte der SO-13-Agent, der
sein Gewehr mit den Betäubungspfeilen lässig im Arm hielt.
»Zu groß. Mehr wie die Augen bei der Schimäre, die wir neulich im Konzertpavillon hatten. Die wie ein riesiger Hamster
aussah, erinnern Sie sich?«
»Derselbe Schlitzer?«
Stiggins zuckte die Achseln. »Nicht unbedingt. Sie wissen ja,
die Typen tauschen ihr Genmaterial.«
»Wir werden Proben nehmen und vergleichen. Vielleicht
kommen wir den Kerlen so auf die Spur. Das sieht nach einem
menschlichen Arm aus, nicht wahr?«
Der Arm war rot und fleckig und nicht größer als der eines
Kindes. Um irgendetwas zu fassen zu kriegen, bewegten die
Finger sich ruhelos hin und her.
»Dadurch lässt sich das Alter bestimmen«, sagte Stiggins.
»Ich würde sagen, fünf Jahre.«
»Wollen Sie es lebend haben, Sir?«, fragte der SO-13-Agent
und klappte den Verschluss des Gewehrs auf. Der Neandertaler
schüttelte den Kopf.
»Nein, schick ihn nach Hause.«
Der Beamte schob einen Pfeil in den Lauf, klappte das Gewehr wieder zu, zielte sorgfältig und drückte ab. Die von einem
Pfeil getroffene Schimäre reagierte nur wenig. Ein voll funktionsfähiges Nervensystem bringen die Schwarz-Kloner meist
nicht zustande. Immerhin hörte das Geschöpf auf, die Rinde
von einer kleinen Birke zu knabbern, und zuckte ein paar Mal.
Dann legte es sich hin, und sein Atem verlangsamte sich. Der
Neandertaler hielt seine schmutzige Hand, während das Leben
der Schimäre allmählich erlosch.
»Manchmal«, sagte der Neandertaler, »lässt es sich nicht
vermeiden, dass die Unschuldigen leiden.«
»Dennis!«, kam eine Stimme aus der in einiger Entfernung
wartenden Menge. »Dennis! Papa macht sich Sorgen! Wo bist
du?«
Ein bärtiger Mann in einem ärmellosen weißen Hemd löste
sich aus der Gruppe, rannte auf uns zu und umkreiste uns
händeringend. Ein Ausdruck namenlosen Entsetzens trat auf
sein Gesicht, als er die sterbende Kreatur sah.
»Dennis?«
Er sank neben seinem Geschöpf auf die Knie. Sein Mund
öffnete sich, und ein herzzerreißender Klagelaut zerschnitt die
Stille. Mir wurde ganz anders zumute. Ein solcher Ausbruch
lässt sich nicht vortäuschen, er kommt aus allertiefster Seele.
»Sie mussten ihn doch nicht umbringen!«, jammerte der
Mann und schlang seine Arme um das sterbende Wesen. »Sie
hätten ihn doch nicht umbringen müssen!«
Der uniformierte Beamte wollte den Schöpfer von Dennis
schon wegziehen, aber Stiggins hielt ihn zurück. »Nein«, sagte
er traurig, »lassen Sie ihn noch einen Moment.«
Der Beamte zuckte die Achseln, ging zu seinem Landrover
und holte den Leichensack.
»Jedes Mal, wenn wir so etwas tun müssen, kommt es mir
vor, als ob wir einen von uns töten würden«, sagte Stiggins leise.
»Wo sind Sie gewesen, Miss Next? Im Gefängnis?«
»Warum denkt eigentlich jeder, ich wäre im Gefängnis gewesen?«
»Ganz einfach: Als wir uns zuletzt gesehen haben, steuerten
Sie direkt auf das Gefängnis oder den Tod zu. Aber tot sind Sie
nicht.«
Der Schöpfer von Dennis hatte sein Geschöpf in den Arm
genommen und wiegte es hin und her.
Der Beamte kehrte mit dem Leichensack und einer Kollegin
zurück, die den Trauernden behutsam von seiner Kreatur
trennte und ihm seine Rechte vorlas.
»Nur eine Unterschrift auf einem Stück Papier«, sagte Stiggins, »bewahrt uns Neandertaler davor, genauso zerstört zu
werden wie
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