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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Unsinn, dachte Esther und ärgerte sich über sich selbst, weil sie
einen Klumpen in der Kehle spürte. Der Held betrat die Bühne und sah großartig
mit seinen goldenen Litzen und hohen Stiefeln aus. Wie die Kinder jubelten!
    Weit
entfernt von Esther senkte Lord Guy in einer Loge das Opernglas und sagte zu
Mr. Roger: »Sie sitzt auf der vordersten Bank!«
    »Bist
du sicher, dass sie wirklich eine Lady ist?« fragte Mr. Roger.
    »Ja,
ganz sicher. Ich hoffe nur, dass die Herren um sie herum das auch merken.«
    »Sie
ist große Klasse, das gebe ich zu«, meinte Mr. Roger, als er durch sein
Opernglas schaute. »Aber dieser Hut genügt, um jeden abzuschrecken.«
    Esther
trug einen ungünstigen schwarzen Schlapphut, der ihr tief in den Nacken
reichte.
    Die
lärmenden Männer um sie herum, die sich ungeniert über sie unterhalten hatten,
während sie ganz von dem Schauspiel gefangen war, hatten sie schließlich als
Gouvernante eingestuft, als einen alten Drachen, der eine fürchterliche Szene
machen würde, wenn sie versuchten, sich ihr irgendwie zu nähern.
    Wenn
Esther die Darbietungen in Frieden hätte genießen können, hätte sie vielleicht
in Zukunft nie mehr etwas mit Lord Guy Carlton zu tun gehabt. Aber hinter der
Bühne nahm das Schicksal seinen Lauf, und es sollte anders kommen.
    Madame
Chartreuse, die berühmte Reiterin, bereitete sich gerade auf ihren Auftritt
vor. Die Handlung war recht einfach. Ein Zigeuner raubte ihr Kind in Gestalt
einer großen Puppe. Der Schurke warf das »Kind« auf ein Bündel Lumpen in der
Lichtung, in der er sich zusammen mit den anderen Räubern vor dem Auge des
Gesetzes verbarg. Daraufhin kam Madame Chartreuse im Sattel ihres Schimmels
stehend hereingeritten. Sie beugte sich herab, ergriff das »Kind« und ritt
wieder hinaus. Applaus und Vorhang. So hätte das Stück ablaufen sollen.
    Aber
ihr Manager, Silas Manchester, der sie seit Jahren liebte, hatte
herausgefunden, dass sie sich in einen jungen Schauspieler der Truppe verliebt
hatte. Bevor sie ihren Auftritt hatte, machte er ihr deshalb heftige Vorwürfe.
Sie lachte ihm jedoch nur ins Gesicht und sagte, sie habe ihn satt.
    Das
Stück begann. Der Schurke raubte ihr das Kind. Es weinte, seine »Mutter«
weinte, und der Schnee fiel, weil noch etwas künstlicher Schnee übrig war.
Nächste Szene. Die Puppe wurde von dem Schurken auf das Bündel Lumpen geworfen.
Indessen angelte Silas Manchester, der auf allen vieren hinter der Kulisse
kauerte, mit dem gebogenen Griff eines Spazierstocks nach der Puppe und zog sie
vorsichtig zu sich heran. Dann stellte er sich so hin, dass er den wütenden
Ausdruck im Gesicht seiner Geliebten sehen konnte, wenn sie feststellte, dass
ihr Auftritt misslungen war.
    Auf
einmal war die Puppe lebensgroß und hatte rote Locken.
    Als
Madame Chartreuse in einem flitterbesetzten Tutu und fleischfarbenen Strümpfen
auf die Bühne geritten kam, hatte es nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert,
bis ihre scharfen Augen entdeckt hatten, dass die Puppe nicht da war. im
nächsten, Augenblick sah sie Peter, der mit seinen roten Locken auf der vordersten
Bank saß. Dass da ein Kind aus gutem Hause sitzen könnte, wo gewöhnlich nur
Männer saßen, die sich an den weiblichen Reizen der Darstellerinnen freuten,
kam ihr nicht in, den Sinn, sonst hätte sie nicht getan, was sie als nächstes
tat.
    Sie
ritt, auf dem Pferd stehend, einmal im Kreis herum. Die, Bühne bildete eine Art
Halbrund und befand sich auf gleicher" Höhe wie die vorderen Bänke. Dann
beugte sie sich blitzschnell herunter, streckte ihren muskulösen Arm aus, hob
den kleinen Peter zu sich herauf in den Sattel.
    Peter
war ungeheuer beeindruckt, er bekam ein stämmiges Bein von Madame Chartreuse zu
fassen und hielt sich daran fest. Mit der anderen Hand winkte er Esther
aufgeregt zu.
    »Verdammter
Mist«, stieß Mr. Roger aus, »Jetzt ist alles verdorben.« Lord Guy hatte sich
bereits über die Logenbrüstung geschwungen und eilte auf die Bühne zu.
    Madame
Chartreuse sprang leichtfüßig vom Pferd und hielt dabei Peter im Arm. Sie
stellte ihn neben sich auf die Bühne und verbeugte sich, um den stürmischen Applaus
entgegenzunehmen, während ihr Manager in der Kulisse vor Wut mit den Zähnen
knirschte und einem Bühnenschurken weitaus ähnlicher sah als jeder seiner
Schauspieler.
    Miß
Esther Jones' stürmisches Temperament, das sie bisher im Zaum gehalten hatte, ging
jetzt mit ihr durch. Ihren Schirm in der Hand, stürmte sie auf die Bühne und
ließ ihn

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