04 Im Bann der Nacht
gut.«
Anna hielt die Augen geschlossen, als der Jeep über die dunkle Landstraße raste. Neben ihr am Steuer saß Styx, und auf dem Rücksitz befand sich der erschreckende Jagr.
Hinter ihnen fuhr ein zweiter Jeep, in dem Viper, Dante,
Shay, Abby und Darcy saßen. Anna hatte die leisen Auseinandersetzungen wahrgenommen, die ausgebrochen waren, als die drei Frauen sich nicht davon hatten abbringen lassen, an der Rettungsaktion teilzunehmen. Es hatte einen weiteren Wortwechsel gegeben, als Styx darauf bestanden hatte, dass Jagr mitkam.
Sie selbst hatte nur an Cezar denken können. So verzweifelt, dass ihr fast die Luft wegblieb. Jeder Moment, der ohne ihn verging, fühlte sich an wie ein Dolch, der ihr ins Herz gestoßen wurde, und nur das Wissen, dass sie die Hilfe von Cezars Brüdern brauchen würde, hielt sie davon ab, sie alle zur Hölle zu wünschen und einfach aus dem abgelegenen Landhaus zu stürmen.
Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, hatten sie sich endlich auf den Weg gemacht. Die Tatsache, dass Anna ihren Gefährten fühlen konnte, wurde genutzt, um die Gruppe aus der Stadt heraus in Richtung Westen zu führen, zwischen den ebenen Feldern und den verschlafenen Städtchen hindurch.
Annas Gefühl der Dringlichkeit ließ im Laufe der Fahrt kaum nach. Insbesondere, als ihre Verbindung zu Cezar verstummte. Schließlich spürte sie ihn aber doch wieder, und auch der brennende Schmerz im Hals kehrte zurück, aber selbst das hielt nur wenige Minuten an, bevor es wieder zu verblassen begann.
Anna wusste nicht, was diese merkwürdigen Gefühle bedeuteten, aber sie glaubte keinen Moment an etwas Gutes. Sie ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass ihre Nägel Abdrücke in ihren Handflächen hinterließen, und drehte den Kopf, um Styx mit aufgerissenen Augen anzusehen.
»Er hat aufgehört, sich zu bewegen.«
In der Dunkelheit, die im Auto herrschte, sah der Anasso wie ein Rachegott aus. Er glich dem personifizierten Tod, der nur auf die Gelegenheit wartete, sein Geschenk zu übergeben. Und der goldhaarige Riese auf dem Rücksitz wirkte auch nicht vertrauenerweckender. Jagr mochte die Art von wilder Schönheit besitzen, die das Herz vieler Frauen höherschlagen ließ, aber die eiskalte Gewalt, die um ihn herum knisterte, war unverkennbar. Er kam ihr wie eine Zeitbombe vor, die kurz davor stand zu explodieren, und Anna wollte nicht in seiner Nähe sein, wenn das passierte. Wenn sie nicht außer sich vor Angst um Cezar gewesen wäre, hätte sie nie alleine mit den beiden in einem Auto gesessen.
»Gut«, knurrte Styx, und die winzigen Perlen in seinem geflochtenen Haar schimmerten im Mondlicht, als er ihr einen düsteren Blick zuwarf. »Wie geht es ihm?«
»Ich weiß es nicht.« Anna rubbelte ihren durchgefrorenen Körper mit den Händen. Sie hasste diese schmerzende Leere, die ihr Herz erfüllte. »Er hat Schmerzen, aber er ist wieder weit von mir weg. Als ob um ihn herum irgendein Schild wäre.«
Styx tätschelte kurz ihren Arm. »Er schützt sich, Anna. Ein Vampir besitzt die Fähigkeit, sich tief in seinen eigenen Körper zurückzuziehen. Das wird ihm nicht nur dabei helfen, den Schmerz zu bekämpfen, sondern auch, andere davon zu überzeugen, dass er keine Bedrohung darstellt.«
»Also … stellt er sich tot?«, hakte Anna nach in dem Bemühen, Styx’ Worte zu verstehen.
Ein grimmiges Lächeln bildete sich auf Styx’ Lippen. »Etwas in dieser Art.«
Anna rieb sich die Gänsehaut, die sich auf ihren Armen
gebildet hatte. Es war eine Erleichterung, zu wissen, dass das gedämpfte Gefühl kein Anzeichen dafür war, dass Cezar vom Tod bedroht oder irgendein anderes Wesen imstande war, ihre Verbindung zu durchtrennen. Trotzdem war es unerträglich für sie.
»Ich wünschte, er würde das nicht tun«, sagte sie leise. »Ich muss ihn fühlen.«
»Wir werden ihn zurückholen, Anna, so viel kann ich versprechen.«
Sie holte tief Luft, als sie spürte, wie sie mit jedem Kilometer, der verging, Cezar näher kamen. »Ich verstehe immer noch nicht, warum Troy Cezar gekidnappt hat. Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Es ergibt sehr wohl einen Sinn«, entgegnete Jagr vom Rücksitz aus. Seine Stimme war ein leises Grollen.
Anna drehte den Kopf und sah den gefährlichen Vampir mit einem Anflug von Verwirrung an. »Warum?«
Sein Lächeln war nichts weiter als ein Fletschen seiner riesigen Vampirzähne. »Solange Morgana den Vampir gefangen hält, weiß sie, dass niemand von euch sein Leben aufs
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