04 Im Bann der Nacht
wissen. »Cezar ist …«
»Cezar ist in Gefahr, ja, das weiß ich«, unterbrach er sie. »Doch Morgana bedeutet im Augenblick nicht die einzige Gefahr für ihn.«
Anna biss sich auf die Lippen. Sie war gerade wirklich nicht in der Stimmung, um über weiteres Grauen nachzudenken, das irgendwo in den Schatten lauern konnte. Eine verrückte, größenwahnsinnige Verwandte reichte vorerst. »Ich verstehe nicht.«
Styx’ unnahbarer Gesichtsausdruck verriet gar nichts. »Das ist das Problem. Du bist keine Vampirin.«
Weil ihre Nerven sowieso schon blank lagen, brauste sie bei seinen Worten auf.War das der Grund, warum er angehalten hatte? Um noch mal klarzustellen, dass sie keine Dämonin war? »Das ist wohl kaum eine Neuigkeit, Styx! Worauf willst du hinaus?«
Seine Augen wurden zu Schlitzen. »Du bist keine Vampirin,
also verstehst du nicht vollständig, was es bedeutet, verbunden zu sein.«
»Styx, kann das nicht warten, bis wir Cezar gerettet haben?«
»Nein, denn ich spüre deine Verzweiflung.«
»Sie stinkt danach«, murmelte Jagr vom Rücksitz aus.
Anna schüttelte frustriert den Kopf. Ein Teil ihrer Macht strömte aus, um im Auto herumzuwirbeln, die Luft zu erhitzen und ihre Haare zu Berge stehen zu lassen. Was zur Hölle war hier los? »Wäre es dir lieber, wenn es mir scheißegal wäre, was mit ihm passiert?«
»Das wäre in mancher Hinsicht einfacher.«
Anna holte tief Luft und bemühte sich, ihre Kräfte zu kontrollieren. Versuchte Styx sie mit Absicht wütend zu machen, sodass sie kurz vor dem Explodieren stand, wenn sie auf Morgana traf? Falls ja, klappte es hervorragend. »Styx, sag mir einfach, warum du kostbare Zeit verschwendest.«
Es folgte eine kurze Pause, als ob Styx sorgfältig über seine Wortwahl nachdenke. »Cezar hat dich zu seiner Gefährtin genommen«, sagte er schließlich. »Wenn du stirbst, stirbt auch er.«
Anna erstarrte vor Schreck. »Du meinst … dann stirbt er wirklich?«
»Nicht sofort. Aber ja.« Er neigte steif den Kopf. »Du bist zu seinem Lebensinhalt geworden, Anna. Ohne dich wird er jeden Instinkt verlieren, sich selbst zu schützen. Tatsächlich wird er sogar nach der Gefahr streben, in der Hoffnung, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Vampire überleben nur selten mehr als ein paar Monate nach dem Tod ihrer Gefährtin.«
Eine kalte Hand griff nach Annas Herz. Irgendwie hatte
Cezar vergessen, dieses kleine Detail zu erwähnen, als er ihr von der Zeremonie erzählt hatte. »Und warum erzählst du mir das jetzt?«, fragte sie, und ihre Stimme war dabei kaum mehr als ein Flüstern.
»Weil du willens bist, dich zu opfern, um ihn zu retten.« Er berührte ihre blasse Wange mit einem kalten Finger. »Wenn du das tust,Anna Randal, wirst du Cezar zu deinem eigenen Los verurteilen.«
KAPITEL 20
D er Dachboden des Bauernhauses war ein schmutziger, beengter Platz, der kaum dafür gemacht schien, dass Menschen sich dort aufhielten - geschweige denn eine Königin. Doch es war der perfekte Ort, um einen ohnmächtigen Vampir als Geisel zu halten.
Die dicke Staubschicht ignorierend, die den Saum ihres hauchdünnen Kleides beschmutzte, studierte Morgana den Dämon, der an der silbernen Leine an den Dachsparren hing.
Sein dichtes dunkles Haar war zerzaust und fiel ihm um sein schönes Gesicht, und da sie Troy befohlen hatte, ihm sein Hemd auszuziehen, gab es nichts, was die fein gemeißelte Perfektion seiner bronzefarbenen Brust verbarg.
Sie konnte verstehen, weshalb Anna Randal von diesem Geschöpf fasziniert war. Alle Vampire besaßen einen mächtigen sinnlichen Reiz. Sie waren Eroberer, die ihre Sexualität dazu benutzten, ihre Beute anzulocken. Aber dieser Vampir … Er schien wie dafür geschaffen, einer Frau Vergnügen zu bereiten. Großes Vergnügen. Es war beinahe eine Schande, dass sie gezwungen sein würde, ihn zu töten.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit von dem ohnmächtigen Vampir ab und richtete sie auf den großen Kobold
mit der feuerroten Mähne und dem wachsamen Gesichtsausdruck. »Du hast deine Aufgabe gut erledigt, Troy.«
Der Kobold kniete vor ihr nieder und senkte den Kopf. »Vielen Dank, meine Königin. Ich lebe, um zu dienen.«
Morganas Lippen verzerrten sich, als sie vortrat, um sein Kinn brutal zu umfassen und seinen Kopf hochzureißen. Dabei genoss sie die nackte Angst, die in seinen Augen aufflammte. »Oder du dienst, um zu leben, nicht wahr, mein kleiner Verräter?«
»Ich habe Euch den Vampir gebracht«, krächzte der Kobold. »Sicherlich habe
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