04 Im Bann der Nacht
ich dies aus meinem glühenden Bedürfnis nach Rache heraus, nicht um der Gerechtigkeit willen. Erst später wurde mir durch dich bewusst, dass es deine Weigerung war, es Zorn oder Bitterkeit zu gestatten, über dein Herz zu herrschen, die es dir erlaubte, die Herrschaft über den Stein zu erlangen.«
Anna dachte über sein Eingeständnis nach. Ein Teil von ihr konnte ein Gefühl der Erleichterung darüber nicht leugnen, dass dieser Mann nicht freiwillig die Vernichtung ihrer Familie ermöglicht hatte, während ein anderer Teil das Schicksal verfluchte, das sie dazu gezwungen hatte, der bösartigen Frau entgegenzutreten.
Schließlich seufzte sie melancholisch auf. Sie hatte getan, was getan werden musste. Und nichts konnte daran etwas
ändern. »Was soll ich jetzt mit dem Edelstein machen?«, erkundigte sie sich.
»Ich werde ihn sicher verwahren.«
Anna zögerte. Nicht, dass Artus seine Schwester doch noch quälen wollte … »Ist das klug?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich ruhe endlich in Frieden, Anna. Für mich besteht keine Notwendigkeit mehr, weiterhin Rache zu üben. Und in Wahrheit glaube ich, es wird das Beste sein, wenn das Feenvolk weiß, dass der Smaragd sich außerhalb ihrer Reichweite befindet.«
Anna konnte seine tiefe Besorgnis fühlen.
»Das Feenvolk ist launenhaft und unberechenbar, doch es könnte durchaus gefährlich werden, wenn es glaubte, die Vampire hielten seine Königin gefangen.«
Anna konnte diese Logik nicht bestreiten.Wenn sie diejenige wäre, die das Juwel behielt, konnte es gut sein, dass die Elfen annahmen, ihre Verbindung mit Cezar würde bedeuten, dass ihre Königin der Gnade der Vampire ausgeliefert sei. Und das Letzte, was sie wollte, war irgendein Dämonenkrieg. Sie hatte die Nase gründlich voll davon, von einer Kreatur nach der anderen aus dem Hinterhalt überfallen zu werden.
Darum ließ sie es zu, dass der Geist ihr den Stein aus der Hand nahm. Im Nebel war ein kurzes Flackern zu sehen, und dann verschwand der Smaragd, zusammen mit Morgana.
Anna stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Es täte ihr nicht leid, wenn sie diesen verdammten Smaragd nie wiedersehen müsste. »Die Elfen wären nicht so wild darauf, ihre Königin zu retten, wenn sie die Wahrheit kennen würden«, meinte sie, als sie sich an Morganas Untertanen erinnerte, von denen das Bauernhaus voll gewesen war. »Sie
wissen nicht, dass Morgana für deinen Tod verantwortlich war.«
»Nein.« Die Schwaden wurden dunkler, und eine sehnsuchtsvolle Traurigkeit erfüllte die Schlossruine. »Eines Tages wird diese Geschichte erzählt werden, aber noch ist es nicht so weit.«
Anna nickte langsam. Sie hatte gehofft, die Wahrheit über die Vergangenheit ihres Urahns zu erfahren, aber sie begriff, dass es Dinge gab, die zu schmerzhaft waren, um sie laut auszusprechen. Als ob die Worte selbst die alten Wunden aufreißen könnten, die am besten unangetastet blieben.
»Ich …« Ihre tröstenden Worte verstummten, als das Bild von Cezars besorgtem Gesicht ihren Geist durchzuckte. Ein fast schmerzhafter Drang, nach ihm zu greifen und ihn zu berühren, zog ihr das Herz zusammen.
»Anna, was gibt es?«
»Das war Cezar. Ich muss gehen.«
»So begierig bist du darauf, zu deinem Vampir zurückzukehren?«
Sie hob eine Hand, um sich den schmerzenden Kopf zu reiben. »Er scheint ziemlich besorgt.«
Ein sanftes Gelächter erklang. »Vor einer Weile wäre ich womöglich noch zornig geworden bei dem Gedanken, dass meine Nachfahrin die Gefährtin eines Vampirs wird, doch nun spüre ich nichts außer Erleichterung darüber, dass er sich immer in deiner Nähe befinden wird, um dich zu beschützen.«
Anna ließ die Hand sinken, um ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen. »Ich bin nicht schlecht darin, mich selbst zu schützen!«
»Meine geliebte Anna.« Die Nebelfinger glitten in einer
zärtlichen Liebkosung über ihre Wange. »Du bist so viel mehr, als ich je für möglich hielt.«
Anna spürte ganz plötzlich ein Angstgefühl. In der rauchigen Stimme lag etwas, das sehr nach Abschied klang. »Werden wir uns jemals wiedersehen?«
Er schwieg einen Moment, als ob er einer Stimme zuhöre, die nur er wahrnehmen könne. »Sobald dein Schicksal entschieden ist«, meinte er schließlich. »Bis dahin ist es mir nicht gestattet einzugreifen.«
»O nein.« Anna schüttelte heftig den Kopf. »Ich bin fertig mit dem Schicksal! Alles, was ich jetzt will, ist ein nettes, ruhiges Leben mit dem Vampir, den ich liebe.«
»Ich fürchte
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