04 Im Bann der Nacht
vergingen, in denen Morgana sich bemühte, einen milden Gesichtsausdruck aufzusetzen und die Steppdecke noch ein Stück nach unten schob, um eine elfenbeinfarbene Schulter und den Ansatz einer Brust zu entblößen.Von all ihren Kräften war ihre erlesene Schönheit doch die mächtigste.
Kein Laut war zu hören, bevor der Adar in der Türöffnung
erschien. Seine Bewegungen waren so sorgfältig kontrolliert, dass nicht einmal die Staubschicht auf dem Holzboden aufgewirbelt wurde.
Auf den ersten Blick wirkte er menschlich. Wie ein kleines, zierliches Kind mit dem Gesicht eines Engels und einem dicken Büschel aus lockigem goldenem Haar. Seine Haut war bleich, beinahe weiß, und sein kleiner Körper war in eine Jeans und ein Sweatshirt gehüllt. Seine Augen jedoch verrieten seine Herkunft. Sie wirkten zu groß für sein Gassenjungengesicht, standen schräg und waren von tiefster Schwärze. Und dann gab es da noch die unverkennbaren Fangzähne, die aufblitzten, als er ein schwaches Lächeln zeigte.
»Herrin.«
Morgana winkte ihn zu sich. »Komm näher, Adar!«
»Ich möchte Euch nicht beleidigen, Herrin, aber ich bleibe lieber hier«, schnurrte er.
»Ich brauche nicht meine Hände zu benutzen, um dich zu töten.«
Er lehnte sich unbeeindruckt gegen den Türpfosten. »Das ist wahr, aber ich bevorzuge den Blick von hier.«
Die Luft flirrte vor Hitze. »Du spielst ein gefährliches Spiel mit mir.«
Sein Lächeln wurde breiter, wodurch die unteren Fänge ebenfalls sichtbar wurden. Ein Engel mit einem gefährlichen Biss. »Gibt es noch andere Arten des Spiels?«, fragte er, wobei seine Stimme für seine zarte Gestalt viel zu tief klang.
»Das reicht.« Als Morgana bemerkte, dass der Dämon ihrem Sexappeal mit Gleichgültigkeit begegnete, zerrte sie ungeduldig an der Steppdecke, um sie wieder nach oben zu ziehen. Seine Chance war vorüber, es war an der Zeit
für geschäftliche Angelegenheiten. »Ich benötige deine Dienste.«
»Ihr kennt meinen Preis?«
»Es gibt nur sehr wenig, was ich nicht kenne, Adar.«
Die schwarzen Augen forschten argwöhnisch in ihrem Gesicht. Er spürte, dass eine Königin nicht bereit sein würde, eine Ader für ihn zu öffnen. »Und Ihr seid bereit, ihn zu zahlen?«
Morgana zuckte die Achseln. Es schien wenig sinnvoll, ihm mitzuteilen, dass sie die feste Absicht hegte, ihn zu töten, sobald es ihm gelungen war, ihre Beute ausfindig zu machen. Dämonen waren in solchen Angelegenheiten ein wenig empfindlich. »Du wärest nicht hier, wenn das nicht der Fall wäre«, erwiderte sie sanft.
Er schwieg eine ganze Weile. Sein wildes Verlangen, von dem Blut einer Königin zu kosten, kämpfte mit seiner Angst, dass es sich hier um eine Falle handeln könne. Schließlich war es sein Blutdurst, der die Oberhand gewann. In den dunklen Augen flackerte Begierde auf, und er verbeugte sich tief, um den Handel zu besiegeln. »Ich werde etwas von meiner Beute benötigen«, sagte er, als er sich wieder aufgerichtet hatte. »Etwas, dem ihr Duft anhaftet.«
Morgana deutete auf die teuren Lederkoffer, die in der Ecke des Zimmers standen. Sie hatte Modron, sobald sie eingetroffen waren, losgeschickt, um herauszufinden, wo Sybil während ihrer Zeit in Chicago gewohnt hatte. Es war ein Leichtes gewesen, ihr Gepäck zu holen. »Nimm dir, was du brauchst.«
Der Dämon riss die Tasche auf und durchsuchte die Unmenge an Designerkleidung, bevor er ein Seidentuch aus dem Durcheinander zog. Sein Gesicht nahm einen
konzentrierten Ausdruck an, als er das Tuch an seine Nase drückte. »Eine Elfe.«
»Zuletzt war sie …«
»Das ist nicht notwendig«, unterbrach er sie kühn, ein kleines Lächeln auf den Lippen.
Er hatte Glück, dass Morganas Kräfte überbeansprucht waren. Sonst hätte sie ihn auf der Stelle getötet. Dann hätte sie sich allerdings die Umstände machen müssen, einen weiteren Dämon herbeizurufen.
»Du darfst nicht zu zuversichtlich sein, Dämon«, warnte sie ihn, und ihre Stimme erfüllte die Luft mit einer starken Hitze. »Diese Frau wird in einem Raum festgehalten, der durch einen mächtigen Zauber geschützt ist.«
Sich der Tatsache nicht bewusst, wie nahe er gerade dem Tode gewesen war, steuerte der Adar wieder auf die Tür zu. »Magie kann sie nicht vor mir verbergen.«
»Adar!«
Bei ihrem Kommandoton hielt er inne. »Ja?«
»Verfolge die Frau bis zu dem Ort, an dem sie versteckt gehalten wird, doch versuche nicht, dich ihr zu nähern. Sobald du den Aufenthaltsort gefunden hast, wirst du
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