04 - Lebe lieber untot
dass ich jetzt wirklich jeden Aus- und Eingang gesichert hatte, schloss ich die Schlafzimmertür und ging ins Wohnzimmer zurück. Ich stupste Vinnie an, der auf meiner Couch vor sich hin dämmerte, und schickte ihn zu Mrs. Janske, um Killer abzuholen.
„Sie sagte, ich soll Ihnen ausrichten, dass sie Ihren Kleinen hier auf Schmerzensgeld verklagt: wegen Vergewaltigung“, berichtete er mir, als er ein paar Minuten später wiederkehrte.
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„Wie bitte?“
Vinnie hielt den Kater hoch. „Sie meinte, der kleine Kerl hier würde alles bespringen, was ihm unter die Augen kommt.“
Killer miaute erschöpft, und Vinnie grinste.
Ich runzelte die Stirn. „Wenn ihr zwei jetzt auch noch abklatscht, dann werfe ich euch alle beide hochkant raus.“
„Versprochen?“ Vinnie sah so hoffnungsfroh - und erschöpft -aus, dass es mir die Brust abschnürte. „Denn ich glaube nicht, dass ich noch lange durchhalte. Jetzt könnte glatt der Urvater aller Vampire vor mir stehen, und ich glaube nicht, dass ich noch die Kraft hätte, ihn zu pfählen, selbst wenn es dafür 'nen Bonustrip nach Jamaika gäbe.“ Er setzte Killer auf den Boden und wollte gerade auf meinem Sofa zusammenbrechen, als ich ihn bei den Schultern packte und in Richtung Wohnungstür steuerte.
„Raus.“
„Wirklich? Darf ich jetzt schlafen?“
„Nein. Sie fahren jetzt nach Hause und sehen sich erst mal die hier an“, ich gab ihm die drei DVDs - Pretty Woman, Wie ein einziger Tag und die erste Staffel von Grey's Anatomy -, die ich besorgt hatte, als ich mir die Filme für meinen Dämonenmarathon ausgeliehen hatte.
„Dann schlafen Sie ein bisschen, gehen unter die Dusche und treffen mich um acht Uhr bei DED.“
Er warf einen Blick auf die Filme. „Ich hasse Sie.“
„So soll es sein. Wenn Ihnen das alles nichts ausmachen würde, brauchten Sie meine Hilfe auch nicht. Jetzt hören Sie auf zu jammern, sehen sich die Filme an und tauchen auf gar keinen Fall wieder mit irgendwelchen Leichen im Kofferraum auf“
„Ich hasse Sie wirklich.“
„So ist das nun mal in meinem Metier.“ Ich zuckte die Achseln. „Ein harter Job, aber irgendjemand muss ihn eben machen.“
Nachdem ich Vinnie verabschiedet hatte, servierte ich Killer eine Dose Katzenfutter und einen Vortrag über die Freuden der Enthaltsamkeit und machte mir dann ein Glas Blut warm. Nachdem ich den Inhalt runtergekippt hatte, ließ ich mich auf mein Sofa fallen und checkte meine Handy-Nachrichten.
Es waren sechs an der Zahl. Alle von meiner Mutter.
In den ersten vier verlangte sie eine Erklärung, wieso ich Remy hatte sitzen lassen.
Nummer fünf erinnerte mich daran, dass ich meiner Mutter für zweiundsiebzig Stunden Wehen und lebenslange Erziehung etwas schuldig war.
Nummer sechs verkündete, dass die älteste und beste Freundin meiner Mutter, Louise Bastillion, in Kürze ihr neunundsechzigstes Enkelkind erwartete, während meine arme Mutter in dieser Beziehung nichts als eine dicke, fette Null aufzuweisen hatte.
Ich kämpfte gegen die Gewissensbisse an, die mich plötzlich überfielen (die Frau verstand ihr Handwerk), und ging noch mal nach Evie sehen.
Sie lag auf der Seite, die Augen geschlossen, das Gesicht ausdruckslos. Wäre da nicht dieser dünne Faden grüner Sabber gewesen (wenn das alles erst mal vorbei war, würde ich mir als Erstes neue Bettwäsche besorgen), der aus ihrem Mundwinkel sickerte, hätte ich sie nie im Leben für einen Dämon gehalten.
Na ja, genau genommen waren es der Sabber, der Gestank und das Zähneknirschen. Aber davon mal abgesehen, hätte sie irgendeine hübsche junge Frau in den Zwanzigern sein können, die nach einer in diversen Lesben-Clubs durchgefeierten Nacht erschöpft in Schlaf gesunken war.
Sie war immer noch Evie.
An diese Hoffnung klammerte ich mich, schloss die Tür und ging zum Sofa zurück. Dort saß ich einige Minuten und überlegte, ob ich das Fernsehen anmachen sollte oder nicht. Oder das Radio. Oder irgendetwas. Ganz gleich, was, Hauptsache, es beendete dieses Gefühl der Isolation, das mich auf einmal einhüllte.
So einsam hatte ich mich seit der Zeit nicht mehr gefühlt, als ich wegen Mordes gesucht wurde.
Aber selbst da hatte ich noch Ty gehabt, der mir geholfen hatte, mit dem ich reden, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich war nicht allein gewesen.
Einsam.
Es juckte mir in den Fingern, und ich hätte fast zum Telefon gegriffen, um ihn anzurufen. Aber Ty und Ash waren Kumpel. Wenn ich ihn anrief, dann könnte ich Evie auch
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