04 - Mein ist die Rache
dunklen Haut abhoben. Sie zog die Tür auf. »Dann kommen Sie herein, meine Herren. Er ist bei seinen Blumen. Jeden Morgen geht er erst in den Garten, ehe er zur Arbeit fährt. Warten Sie hier. Ich hole ihn.«
Sie führte sie in ein Arbeitszimmer, wo Cotter mit einem vielsagenden Blick zu St. James sagte: »Ein Spaziergang im Garten würde mir auch gefallen.« Und schon folgte er der jungen Frau aus dem Zimmer. Er würde, das wußte St. James, von ihr genauestens in Erfahrung bringen, wer sie war und was sie in Trenarrows Haus zu tun hatte.
Allein geblieben, sah er sich um. Das Arbeitszimmer entsprach seinem Geschmack ein nicht allzu großer Raum mit alten, durchgesessenen Clubsesseln, von denen ein schwacher Duft nach Leder aufstieg, zum Bersten gefüllte Bücherregale, ein offener Kamin, in dem schon die Kohle zum Anzünden des Feuers gestapelt lag. Der Schreibtisch stand vor dem großen Erkerfenster, aber als fürchtete er, der Blick auf den Hafen könne von ernsthafter Arbeit ablenken, hatte Trenarrow ihn so gestellt, daß er den Blick ins Zimmer hatte und nicht nach draußen. Eine aufgeschlagene Zeitschrift lag darauf, ein Kugelschreiber in der Mittelfalte, als wäre der Leser mitten in der Lektüre gestört worden.
Neugierig trat St. James näher, klappte sie kurz zu, um ihren Namen zu erfahren.
Cancer Research, eine amerikanische Fachzeitschrift mit der Fotografie einer Wissenschaftlerin im weißen Kittel auf dem Titelblatt. Sie lehnte an einem Arbeitstisch, auf dem ein großes Elektronenmikroskop stand. Scripps Clinic, La Jolla, stand unter der Fotografie, und daneben »Neuland in der biologischen Forschung«.
St. James blätterte zu dem Aufsatz zurück, einer hochwissenschaftlichen Abhandlung über irgendwelche extrazellulären Matrizeneiweiße namens Proteoglykane. Obwohl er über umfassendes Fachwissen verfügte, verstand er kaum etwas.
»Nicht gerade leichte Lektüre, nicht wahr?«
St. James blickte auf. Trenarrow stand an der Tür. Er trug einen gutsitzenden Anzug mit Weste, im Knopfloch eine kleine Rosenknospe.
»Meinen Horizont übersteigt sie jedenfalls«, antwortete St. James.
»Irgendeine Nachricht von Peter?«
»Leider nein. Bisher nicht.«
Trenarrow schüttelte mit bekümmerter Miene den Kopf. Er schloß die Tür und forderte St. James mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen.
»Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?« fragte er.
»Ich habe festgestellt, daß das eine der wenigen Spezialitäten Doras ist.« »Danke, nein. Sie ist Ihre Haushälterin?«
»Im weitesten Sinn.« Er lächelte flüchtig, ohne Heiterkeit. Die Bemerkung schien vor allem ein Versuch, eine leichte Note ins Gespräch zu bringen, aber schon mit seinen nächsten Worten machte er ihn zunichte. »Tommy hat uns gestern abend gesagt, was er von Brooke über Peter gehört hat, daß er am Abend von Cambreys Tod in Gull Cottage war. Ich weiß nicht, wie Sie zu dem allen stehen, aber ich kenne diesen Jungen seit seinem sechsten Lebensjahr. Niemals könnte er einen Menschen töten. Er ist unfähig zu Gewalt, erst recht zu Gewalt von der Art, wie sie Mick Cambrey angetan wurde.«
»Kannten Sie Mick Cambrey gut?«
»Nicht so gut wie andere im Dorf. Eigentlich nur in meiner Eigenschaft als sein Vermieter. Er hat Gull Cottage von mir gemietet.«
»Wann war das?«
Trenarrow setzte automatisch zu einer Antwort an, doch dann zog er plötzlich die Brauen zusammen, als irritierte ihn die Frage. »Vor ungefähr neun Monaten.«
»Und wer wohnte vor ihm dort?«
»Ich.« Trenarrow machte eine rasche Bewegung und beugte sich leicht gereizt in seinem Sessel vor. »Sie wollten mir doch wohl kaum um diese frühe Morgenstunde einen Anstandsbesuch machen, Mr. St. James«, sagte er. »Hat Tommy Sie hergeschickt?«
»Tommy?«
»Ich bin sicher, Sie wissen Bescheid. Er mag mich nicht. Und dann sind Sie auch Micks wegen hier?«
»Nein, eigentlich nicht. Tina Cogin ist verschwunden. Wir vermuten, sie könnte nach Cornwall gekommen sein.«
»Wer?« »Tina Cogin. Shrewsbury Court Apartments. In Paddington. Ihre Telefonnummer fand sich unter ihren Sachen.«
»Ich habe nicht die geringste - Tina Cogin, sagen Sie?«
»Ist sie keine Patientin von Ihnen? War sie vielleicht einmal Ihre Patientin?«
»Ich behandle nicht. Höchstens mal einen Fall im Endstadium, eine experimentelle Behandlung mit einem neuen Mittel. Aber wenn diese Tina Cogin ein solcher Fall war und verschwunden ist, dann - verzeihen Sie, daß ich das so sage -, aber
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