04 - Mein ist die Rache
dann ist sie ganz gewiß nicht in Cornwall.«
»Vielleicht kennen Sie sie dann in anderem Zusammenhang.«
Trenarrow sah ihn verständnislos an. »Wie meinen Sie das?«
»Sie ist möglicherweise eine Prostituierte.«
Die goldgeränderte Brille rutschte Trenarrow ein Stück die Nase hinunter. Er schob sie wieder hoch. »Und sie hatte meinen Namen?«
»Nein. Nur Ihre Telefonnummer.«
»Meine Adresse?«
»Nein, die auch nicht.«
Trenarrow stand auf. Er ging zu seinem Schreibtisch in dem Erkerfenster hinter ihm. Lange sah er zum Hafen hinunter, ehe er sich wieder nach St. James umdrehte und den Kopf schüttelte.
»Ich war seit mehr als einem Jahr nicht mehr in London. Aber das spielt ja wohl keine Rolle, wenn sie nach Cornwall gekommen ist. Vielleicht macht sie Hausbesuche.« Er lächelte ironisch. »Sie kennen mich nicht, Mr. St. James. Sie können daher nicht wissen, ob ich Ihnen die Wahrheit sage. Dennoch möchte ich Ihnen gern sagen, daß es nicht meine Gewohnheit ist, mir Frauen zu kaufen. Ich weiß, es gibt Männer, die das tun, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber mir liegt das nicht. Dieses Feilschen, dieses Geldzählen hinterher, ist nicht mein Stil.«
»Und war es Micks Stil?«
»Micks?«
»Er wurde am Freitag morgen gesehen, wie er aus Tina Cogins Wohnung kam. Vielleicht war sogar er es, der ihr Ihre Telefonnummer gegeben hat. Vielleicht wollte sie Sie wegen irgend etwas konsultieren.«
Trenarrow hob die Hand zu der Rosenknospe in seinem Knopfloch und strich über die fest gefalteten Blütenblätter.
»Das wäre eine Möglichkeit«, meinte er nachdenklich.
»Zwar werden mir Patienten im allgemeinen von Kollegen überwiesen, aber es ist eine Möglichkeit, wenn sie ernsthaft krank ist. Mick wußte, daß ich in der Krebsforschung tätig bin. Er machte, kurz nachdem er den Spokesman übernommen hatte, ein Interview mit mir. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß er der Frau meinen Namen genannt haben könnte. Aber Cambrey und eine Prostituierte? Das widerspricht seinem Ruf als Frauenheld. Seinem Vater zufolge hätte er es jedenfalls nicht nötig gehabt, eine Frau für ihre Liebesdienste zu bezahlen. Wenn man Harry glauben darf, sind die Frauen seinem Sohn scharenweise nachgelaufen, und der arme Junge konnte sich kaum retten. Wenn tatsächlich die Beziehung zu einer Prostituierten hinter der Ermordung Mick Cambreys steht, wird das für seinen Vater schwer zu verdauen sein. Er sähe es lieber als Folge einer Auseinandersetzung mit einem eifersüchtigen Ehemann, denke ich.«
»Oder mit einer eifersüchtigen Ehefrau vielleicht?«
»Nancy?« Trenarrows Ton war ungläubig. »Abgesehen von der Tatsache, daß sie Mick trotz aller Schwierigkeiten, die es zwischen ihnen gab, angebetet hat, kann ich mir nicht vorstellen, daß sie einem anderen Menschen körperlichen Schaden zufügen würde. Aber selbst wenn man annehmen will, daß Micks Verhalten, seine Frauengeschichten, sie zu einer solchen Verzweiflungstat hätten treiben können - wann hätte sie es tun sollen? Sie hätte ja an zwei Orten zugleich sein müssen.«
»Sie war gut zehn Minuten oder länger nicht am Getränkestand.«
»Und in der Zeit soll sie nach Hause gelaufen sein, ihren Mann umgebracht haben und wiedererschienen sein, als wäre nichts geschehen? Wenn man Nancy kennt, kann man eine solche Vorstellung nur absurd finden. Kann sein, daß eine andere Frau so etwas fertigbringen würde, aber Nancy ist keine Schauspielerin. Wenn sie ihren Mann getötet hätte, wäre sie meiner Ansicht nach unfähig gewesen, es zu verheimlichen.«
Es gab Indizien genug, die diese Überzeugung Trenarrows stützten.
St. James erblickte Harry Cambrey sofort, als Cotter den Wagen in die Paul Lane steuerte. Er kam die Straße herauf ihnen entgegen. Er winkte heftig, als sie näherkamen.
»Wer ist denn das?« Cotter bremste ab.
»Mick Cambreys Vater. Mal sehen, was er will.«
Cotter fuhr an den Straßenrand, und Harry Cambrey trat an St. James' Fenster. Eine Mischung aus Bier- und Tabakgeruch strömte in den Wagen, als er den Kopf zum offenen Fenster hinunterneigte. Er sah gepflegter aus als am Samstagmorgen, als St. James und Helen bei ihm gewesen waren. Er trug frische Kleider, sein Haar war gekämmt, sein Gesicht war sauber rasiert.
Er atmete schwer und verzog beim Sprechen das Gesicht, als bereite jedes Wort ihm Schmerzen. »Die Leute von Howenstow haben mir gesagt, daß ich Sie hier finde. Kommen Sie mit in die Redaktion. Ich muß Ihnen was
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