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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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lächelte, als er die Fotos in ihrer Hand sah. »Hast du sie fertig?«
    »Ja. Es hat ein wenig länger gedauert, als ich dachte. Ich bin den Vergrößerer nicht gewöhnt. Er ist neu, und - aber das weißt du ja am besten.« Sie lachte.
    Er glaubte, sie würde ihm die Fotografien geben, aber das tat sie nicht. Sie kam ins Zimmer und blieb am Fußende seines Betts stehen. Sie legte die freie Hand auf den hohen gedrechselten Pfosten.
    »Ich muß mit dir sprechen, Simon.«
    Etwas in ihrem Gesicht erinnerte ihn augenblicklich an verschüttete Tinte auf dem Eßzimmerstuhl und die kleinlaute Beichte eines zehnjährigen Wildfangs. Doch eine Schwingung in ihrer Stimme sagte ihm, daß für Deborah der Moment gekommen war, reinen Tisch zu machen, und er hatte das Gefühl, als verließen ihn schlagartig alle Kräfte.
    »Was ist? Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Es geht um das Foto. Ich wußte, daß du es eines Tages sehen würdest, und ich wollte sogar, daß du es siehst. Ich wollte dich wissen lassen, daß ich mit Tommy geschlafen hatte. Ich wollte dich bewußt verletzen. Dich quälen. Ich wollte dich eifersüchtig machen. Und ich - ach, Simon, ich hasse mich dafür, daß ich dir das angetan habe.«
    Ihre Worte kamen so unerwartet, daß sie ihn in eine Art Schockzustand versetzten. Einen lächerlichen Moment lang schaffte er es, sie mißzuverstehen, sich einzureden, sie spräche von den Cambrey-Fotos. Was redest du da? wollte er sagen. Ich auf Tommy eifersüchtig? Was für ein Foto, Deborah? Ich verstehe dich nicht. Oder besser noch, einfach lachen, mit Gleichgültigkeit reagieren. Aber noch während ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen und er die Kraft zu einer Erwiderung suchte, fuhr sie zu sprechen fort und ließ ihm keine Möglichkeit mehr, sie mißzuverstehen.
    »Ich liebte dich so sehr, als ich damals nach Amerika ging, und ich war sicher, daß auch du mich liebtest. Nicht wie ein Bruder oder ein Onkel oder eine Art zweiter Vater. Wie ein Mann. Du weißt, was ich meine.«
    Ihre Worte waren so sanft, ihre Stimme so ruhig. Er konnte den Blick nicht von ihrem Gesicht wenden. Er war keiner Bewegung fähig.
    »Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich machen kann, Simon. Ich war so zuversichtlich, als ich ging, unserer Beziehung so sicher. Und dann begann das Warten auf einen Brief von dir. Zuerst schob ich es auf die Post. Als ich dich nach zwei Monaten endlich anrief, warst du so unglaublich distanziert. Deine Arbeit fordere dich so stark, sagtest du. Pflichten und Aufgaben von allen Seiten. Du würdest meine Briefe beantworten, sobald du könntest. Und was macht die Schule, Deborah? Macht es dir Spaß? Hast du schon Freunde gefunden? Ich bin überzeugt, du wirst deine Sache gut machen. Du hast eine große Zukunft vor dir.«
    »Ich erinnere mich«, brachte er mühsam heraus.
    »Ich sprach mir selbst das Urteil: Nicht hübsch genug für dich, nicht gescheit genug, nicht amüsant, nicht einfühlsam, nicht begehrenswert - nicht ausreichend.«
    »Aber das stimmte nicht. Das stimmt nicht.«
    »Jeden Morgen wachte ich verzweifelt auf. Wertlos, dachte ich. Dumm, häßlich und absolut unnütz.«
    Jedes Wort war schwerer zu ertragen als das vorhergehende.
    »Tommy war zunächst meine Möglichkeit zu vergessen. Als er mich besuchte, lachten wir miteinander. Das erste Mal kam er unter einem Vorwand. Aber dann nicht mehr. Und er hat mich nie gedrängt, Simon. Er hat niemals irgendwelche Forderungen gestellt. Ich habe nicht über dich gesprochen, aber ich glaube, irgendwie wußte er Bescheid und war entschlossen zu warten, bis ich soweit sein würde, daß ich mich ihm öffnen konnte. Er schrieb, er telefonierte, er legte ein festes Fundament. Und als er mit mir schlief, da wollte ich es. Ich hatte dich endlich losgelassen.«
    »Deborah, bitte. Laß es gut sein.« Er konnte sie nicht mehr ansehen. Er wandte sich ab. Seine Augenlider schmerzten.
    »Du hattest mich zurückgewiesen. Ich war verletzt, doch schließlich hatte ich es überwunden, aber aus irgendeinem Grund glaubte ich immer noch, ich müßte dir zeigen, wie die Dinge sich jetzt verhielten. Darum hängte ich das Foto in meiner Wohnung an die Wand. Tommy bat mich, es nicht zu tun. Es ist doch nur eine besonders gelungene Fotografie, sagte ich. Ist dir die Aussage peinlich?«
    Sie schwieg einen Augenblick. »Wie konnte ich Tommy so eine gemeine Lüge erzählen? Es ging mir einzig darum, dir weh zu tun.«
    »Ich habe es verdient. Ich habe dich auch verletzt.«
    »Nein. Für

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