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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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solchen Rachedurst gibt es keine Entschuldigung. Das ist unreif und kindisch. Abscheulich. Es tut mir so leid. Wirklich. Es tut mir entsetzlich leid.«
    Laß gut sein. Vergiß es. Es macht nichts. Er konnte sich nicht dazu bringen, es zu sagen. Er konnte überhaupt nichts sagen. Er konnte den Gedanken nicht aushalten, daß er durch seine eigene Feigheit sie Lynley in die Arme getrieben hatte. Er verachtete sich. Während er noch nach Worten suchte, legte sie die Fotografien auf das Bett.
    »Liebst du ihn?« Die Frage kam hastig.
    Sie war schon an der Tür, aber sie drehte sich um, um ihm zu antworten. »Er ist alles zugleich für mich«, sagte sie.
    »Treue, Hingabe, Zuneigung, Wärme. Er hat mir ...«
    »Liebst du ihn?« Beim zweiten Mal klang die Frage unsicher. »Kannst du wenigstens sagen, daß du ihn liebst, Deborah?«
    Einen Moment lang glaubte er, sie würde gehen, ohne zu antworten. Aber dann sah er förmlich, wie sie sich innerlich aufrichtete. In ihren Augen glänzten Tränen. »Ich liebe ihn. Ja. Ich liebe ihn.«
    Dann war sie fort.

    Er lag in seinem Bett und starrte auf das Spiel von Licht und Schatten an der Decke. Die Nacht war warm. Sein Schlafzimmerfenster war offen, die Vorhänge nicht zugezogen. Hin und wieder konnte er ein Auto hören. Er hätte müde sein müssen, aber sein ganzer Körper war schmerzlich verspannt. In seinem Kopf gingen Fragmente früherer Gespräche, nebelhafter Phantasien, unausgesprochener Gedanken wild durcheinander.
    Er versuchte, nicht an Deborah zu denken. An alles andere, nur nicht an Deborah. Er versuchte, der zu sein, der er während ihrer Abwesenheit gewesen war, der kühle Wissenschaftler, der seinen Verpflichtungen nachkam und seine Aufgaben erfüllte, statt dessen jedoch sah er den Menschen, der er wirklich war, ein Mann auf der Flucht, um ja nicht verletzt zu werden.
    Sein ganzes Leben war eine einzige Lüge, auf edle Phrasen begründet, an die er nicht glaubte. Laß sie frei. Laß sie ihren eigenen Weg finden. Laß sie hinaus in die weite Welt, unter Menschen, die ihr mehr bieten können als du.
    Angst lahmte ihn. Jede Reaktion konnte ja von ihr zurückgewiesen werden. So entschied er sich, sich nicht zu entscheiden, die Zeit verstreichen zu lassen, in der Hoffnung, daß Konflikte, Schwierigkeiten und Aufruhr sich auf lange Sicht von selbst erledigen würden. Und genauso war es geschehen.
    Zu spät erkannte er, daß sein Leben mit Deborah ein feines, im Laufe langer Jahre entstandenes Gewebe war. Er hatte die Jahre vergehen lassen, ohne ihr je zu sagen, wie sehr er sie liebte. Jetzt konnte er nur Gott dafür danken, daß sie und Lynley nach ihrer Heirat nach Cornwall gehen wollten, daß er sie wenigstens nicht zu sehen brauchte.
    St. James konnte keinen Schlaf finden. Er mußte irgendwelche Ablenkung für die Stunden bis zum Morgengrauen finden, griff daher nach seinen Krücken und stand aus dem Bett auf. Nachdem er seinen Morgenrock übergezogen hatte, ging er zur Tür. Im Arbeitszimmer stand Brandy. Es wäre nicht das erste Mal, daß er bei ihm Vergessen suchte. Langsam stieg er die Treppe hinunter.
    Die Tür zum Arbeitszimmer war angelehnt. Lautlos schwang sie unter seiner Berührung auf. Weicher Lichtschein flackerte von zwei Kerzen am offenen Kamin entgegen. Die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, saß Deborah auf dem niedrigen Sitzpolster und starrte in die Flammen. Als St. James sie sah, wollte er sich sofort zurückziehen. Doch er blieb unverwandt stehen.
    Sie sah kurz zur Tür, wandte ihren Blick aber sofort wieder ab. »Ich konnte nicht schlafen«, erklärte sie völlig überflüssigerweise ihre Anwesenheit im Arbeitszimmer um drei Uhr morgens. »Ich versteh' das gar nicht. Ich bin todmüde, aber ich kann nicht schlafen. Zuviel passiert in den letzten Tagen.«
    Ihre Worte waren bewußt gewählt. Doch es war ein Zögern in ihrer Stimme, als wollten ihr die Worte nicht recht über die Lippen. Als er dies bemerkte, ging er durch das Zimmer und ließ sich neben ihr auf das Sitzpolster hinunter. Nie zuvor hatte er das getan. In der Vergangenheit war das Polster immer ihr Platz gewesen, während er über ihr gethront hatte, im Sessel oder auf dem Sofa.
    »Ich konnte auch nicht schlafen«, sagte er und legte seine Krücken auf den Boden. »Ich wollte einen Brandy trinken.«
    »Ich hol' ihn dir.« Sie wollte aufstehen.
    Er faßte ihre Hand und hielt sie zurück. »Nein, nein, laß.«
    Als sie das Gesicht abgewandt hielt, sagte er:

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