04 - Mein ist die Rache
griff über den Tisch und nahm leicht seine Hand. »Er sagte, du wolltest das Fläschchen wegnehmen und verschwinden lassen, ehe die Polizei kam. Tommy wollte dir heute nachmittag im Arbeitszimmer dafür danken, aber du gingst, ehe er Gelegenheit dazu hatte.«
Sie sah, daß sein Blick auf Tommys Ring ruhte. Der Smaragd schimmerte im Licht. Seine Hand unter der ihren war sehr kühl. Doch während sie auf seine Erwiderung wartete, ballte sie sich zur Faust und entzog sich ihr. Sie zog ihre Hand ebenfalls zurück. Ihr war, als hätte er sie geschlagen. Wann immer sie sich ihm öffnete, wann immer sie versuchte, ihm in reiner Freundschaft nahe zu kommen, erlitt sie Schiffbruch. Die Schatten auf seinem Gesicht vertieften sich.
»O Gott«, sagte er leise.
»Was ist?« fragte sie angstvoll.
Er neigte sich ins Licht. Jede tiefe Falte sprang hart hervor.
»Deborah - wie soll ich es dir sagen? Ich bin nicht der edle Held, für den du mich hältst. Ich habe nichts für Tommy getan. Ich habe überhaupt nicht an Tommy gedacht. Peter war und ist mir gleichgültig.«
»Aber -«
»Das Fläschchen gehört Sidney.«
Deborah fuhr zurück. Sie öffnete den Mund, aber einen Moment lang tat sie gar nichts, sondern starrte ihn nur ungläubig an. Dann fragte sie: »Was sagst du da?« obwohl sie die Antwort wußte.
»Sie glaubt, daß Peter Justin Brooke getötet hat. Sie wollte die Rechnung begleichen. Aber statt Peter -«
»Ergotamin«, sagte Deborah. »Das nimmst du doch, nicht wahr? Gegen Migräne.«
Er schob das Tablett mit einer heftigen Bewegung zur Seite. Aber das war auch die einzige Reaktion, die er sich erlaubte. Seine Stimme klang völlig kühl: »Ich komme mir vor wie ein kompletter Idiot. Nichts fällt mir ein, womit ich meiner Schwester helfen kann. Ich kann sie nicht einmal finden. Es ist erbärmlich. Ich bin absolut nutzlos.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Deborah langsam. »Sidney würde niemals - sie hat ... Simon, ich kann mir nicht vorstellen, daß du das glaubst.«
»Helen hat sie überall gesucht. Ich ebenfalls. Alles sinnlos. Und innerhalb von vierundzwanzig Stunden werden sie wissen, wem das Fläschchen gehört.«
»Wie denn? Selbst wenn ihre Fingerabdrücke drauf sein sollten.«
»Auf die Fingerabdrücke kommt es nicht an. Sie hat ihr Parfumfläschchen benutzt. Ich selbst habe es ihr in der Jermyn Street gekauft. Da wird die Polizei keine Probleme haben. Spätestens morgen nachmittag um vier werden sie hier erscheinen. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ihr Parfüm - Simon, Sidney war es nicht!« Hastig sprang Deborah vom Hocker und lief zu ihm. »Sidney war es nicht«, wiederholte sie. »Sie kann es gar nicht gewesen sein. Erinnerst du dich nicht? Sie kam am Abend vor dem Essen in mein Zimmer und fragte, ob sie mein Parfüm benützen könnte. Sie sagte, ihres wäre spurlos verschwunden. Die Mädchen hätten in ihrem Zimmer so gründlich aufgeräumt, daß sie überhaupt nichts mehr finden könne. Erinnerst du dich nicht?«
Einen Moment lang schien er wie vor den Kopf geschlagen. Sein Blick war starr auf sie gerichtet, aber er schien sie gar nicht zu sehen. »Was?« sagte er heiser und fuhr dann mit kräftiger werdender Stimme fort: »Das war Samstag abend. Das war vor Brookes Tod. Schon zu dem Zeitpunkt plante jemand, Peter zu töten.«
»Oder Sasha«, sagte Deborah.
»Und Sidney soll den Sündenbock abgeben.« Er glitt vom Hocker, ging bis zum Ende des Arbeitstisches, drehte um, kam wieder zurück. Er wiederholte die Wanderung, rascher, mit wachsender Erregung. »Jemand hat sich in ihr Zimmer geschlichen. Es kann jeder gewesen sein.«
Alles war plötzlich so klar, ganz eindeutig. »Nein«, sagte Deborah. »Es war Justin.«
»Justin?«
»Ich habe nie verstanden, daß er Freitag nacht zu ihr ging. Ich meine, nach dem, was am Nachmittag in der Bucht zwischen ihnen vorgefallen war. Er war wütend auf Sidney. Sie hatte sein Kokain ins Meer geworfen. Sie hatte ihn vor uns allen bloßgestellt. Peter und Sasha hatten ihn ausgelacht.«
»Er ging also zu ihr ins Zimmer«, sagte St. James langsam, »und schlief mit ihr und nahm bei dieser Gelegenheit das Fläschchen an sich. So muß es gewesen sein. Dieser hinterhältige Schweinehund!«
»Und am Samstag, als Sidney ihn fast den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekam - weißt du noch? Das sagte sie doch zu uns -, hat er sich das Ergotamin und das Chinin besorgt. Dann hat er die beiden Medikamente gemischt und Sasha gegeben.«
»Er war Chemiker«, sagte
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