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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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auf keinen Fall auch noch die andere entkommen lassen. Er packte Deborah fest beim Arm, winkte den Beamten in einem Mannschaftswagen, der am Straßenrand stand, und rief: »Haltet sie fest. Der andere ist mir abgehauen.«
    »Nein!« Deborah versuchte sich loszureißen, aber der Constable packte sie nur um so fester, und je heftiger sie um sich schlug, desto unnachgiebiger wurde sein Griff.
    »Miss Cotter?«
    Sie wirbelte herum. Kein Engel hätte ihr in diesem Moment willkommener sein können als Pastor Sweeney, ganz in Schwarz unter einem riesigen schwarzen Regenschirm. Fragend sah er sie an.
    »Tommy ist in der Villa«, rief sie. »Mr. Sweeney, bitte!«
    Der Geistliche runzelte die Stirn, blickte mit zusammengekniffenen Augen die Auffahrt hinauf. »Ach, du meine Güte«, sagte er. Die Hand am Griff des Regenschirms öffnete und schloß sich mehrmals, während Mr. Sweeney zu überlegen schien. »Ach du meine Güte. Ja. Ich verstehe.« Er richtete sich zu seiner vollen Größe von nicht ganz einem Meter fünfundsechzig auf und wandte sich an den Constable, der Deborah noch immer mit eiserner Hand festhielt.
    »Sie kennen selbstverständlich Lord Asherton«, sagte er gebieterisch. Jene seiner Gemeindekinder, die ihn nie auf der Bühne erlebt hatten, wenn er Cassio und Montano befohlen hatte, ihre Schwerter niederzulegen, wären höchst überrascht gewesen über diesen Ton. »Die Dame ist seine Verlobte. Lassen Sie sie durch.«
    Der Constable beäugte die tropfnasse, zerzauste Deborah. Sein Gesicht verriet deutlich, daß er sich irgendeine Verbindung zwischen ihr und den Lynleys nicht vorstellen konnte.
    »Lassen Sie sie durch«, wiederholte Mr. Sweeney. »Ich werde sie persönlich begleiten. Sie sollten sich vielleicht mehr um die Zeitungsleute kümmern als um diese junge Dame.«
    Wieder musterte der Constable Deborah mit skeptischem Blick. Sie wartete, Qualen leidend, während er sich zu einer Entscheidung durchrang. »Na schön. Gehen Sie.«
    Sie wollte sich bedanken, aber kein Wort kam ihr über die Lippen. Stolpernd wankte sie einige Schritte vorwärts.
    »Beruhigen Sie sich, mein Kind«, sagte Mr. Sweeney.
    »Kommen Sie, nehmen Sie meinen Arm. Der Weg ist ein bißchen glitschig, nicht wahr?«
    In ihrer Angst gefangen, hörte sie seine Worte nur mit halbem Ohr, doch sie hängte sich gehorsam bei ihm ein, während ihr unablässig derselbe Refrain durch den Kopf ging. Bitte laß es nicht Tommy sein. Bitte nicht Tommy. Alles andere kann ich ertragen. Aber nicht Tommy.
    »Es wird schon alles gut«, versicherte Mr. Sweeney zerstreut. »Sie werden sehen.«
    Stolpernd und rutschend gingen sie über den durchweichten Weg zur Villa hinauf. Der Regen ließ etwas nach, aber Deborah war sowieso schon naß bis auf die Haut. Zitternd vor Kälte klammerte sie sich an Mr. Sweeneys Arm.
    »Ja, das ist eine schreckliche Geschichte«, sagte Mr. Sweeney wie in Antwort auf ihr Schaudern. »Aber es wird alles gut. Sie werden gleich sehen.«
    Deborah hörte die Worte, aber sie wußte, daß sie ihnen keinen Glauben schenken konnte. Die Chance, daß alles gut werden würde, bestand für sie nicht mehr. Immer dann im Leben, wenn man am wenigsten damit rechnete, holte die Gerechtigkeit einen hohnlachend ein. Und ihre Stunde hatte jetzt geschlagen. Sie wußte es.
    Trotz der vielen Menschen auf dem Gelände war es unnatürlich still, als sie sich der Villa näherten. Überlaut war aus einem der Polizeifahrzeuge das Knistern und Rauschen eines Funkgeräts zu hören. Auf dem Vorplatz unter dem Weißdorn standen drei Polizeiwagen, kreuz und quer, als wären die Fahrer in fliegender Eile herausgesprungen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wo oder wie sie parkten. Auf dem Rücksitz eines der Autos hockte Harry Cambrey, anscheinend mit Handschellen im Wageninneren angekettet, und brüllte einen Constable an, der neben dem offenen Fenster des Wagens stand. Als er Deborah sah, beugte er sich weit zum Fenster hinaus.
    »Tot!« schrie er, ehe der Beamte ihn wieder in den Wagen zurückstoßen konnte.
    Die schlimmste Befürchtung war wahr geworden. Deborah sah den Rettungswagen in der Nähe der Haustür stehen. Stumm umklammerte sie Mr. Sweeneys Arm, doch der deutete zur Säulenhalle. »Da! Sehen Sie!« drängte er.
    Deborah zwang sich, zur Haustür hinüberzusehen. Sie sah ihn. Ihr Blick flog über seinen Körper, auf der Suche nach Zeichen, nach Verletzungen. Aber abgesehen davon, daß sein Jackett naß war, schien er völlig unversehrt zu sein

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