Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
dort, die Beine von sich gestreckt. Auf dem kleinen Tisch neben ihm stand ein Tablett mit Speisen. Anscheinend ein Frühstück.
    Sie sprach nicht gleich, versuchte statt dessen, sich der Ereignisse zu erinnern, die den schrecklichen Augenblicken auf dem Vorplatz von Trenarrows Villa gefolgt waren. Sie erinnerte sich, daß jemand ihr Brandy eingeflößt hatte. Sie erinnerte sich an Stimmengewirr, an das Läuten eines Telefons, an eine Autofahrt. Irgendwie war sie von Nanrunnel nach Howenstow zurückgekommen. Irgendwie war sie in dieses Bett gelangt.
    Sie hatte ein blaues Satinnachthemd an, das sie nicht kannte. Ein passender Morgenrock lag auf dem Fußende des Betts. Sie richtete sich auf.
    »Tommy?«
    »Du bist wach.« Er ging zu den Fenstern und schob die Vorhänge etwas zur Seite, so daß mehr Licht ins Zimmer fiel, Den bereits geöffneten Fensterflügel zog er ein Stück weiter auf und ließ das Kreischen der Möwen und Kormorane herein.
    »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach zehn.«
    »Zehn?«
    »Ja. Du hast seit gestern nachmittag durchgeschlafen. Erinnerst du dich nicht?«
    »Nur teilweise. Sitzt du schon lange hier?«
    »Eine Weile.«
    Erst da sah sie, daß er noch dieselben Sachen trug, die er in Nanrunnel angehabt hatte, daß sein Gesicht unrasiert war, seine Augen dunkel umschattet waren von Müdigkeit und Erschöpfung. Es schmerzte sie auf unerklärliche Weise, das zu sehen. »Du hast die ganze Nacht hier gesessen.«
    Er antwortete nicht. Er blieb am Fenster, weit weg vom Bett. Über seine Schulter hinweg konnte sie ein Stück Himmel sehen. Die Sonne lag golden auf seinem Haar.
    »Ich dachte, ich fliege dich heute morgen nach London zurück. Wenn du soweit bist.« Er wies auf das Tablett. »Das steht schon seit halb neun hier. Soll ich dir etwas anderes bringen lassen?«
    »Tommy«, sagte sie. »Würdest du ... gibt es ...« Sie wollte sein Gesicht sehen, aber er hielt es abgewandt und reagierte nicht auf ihre Worte. Sie sprach nicht weiter.
    Er schob die Hände in die Hosentaschen. »Sie haben John Penellin auf freien Fuß gesetzt.«
    »Und Mark?« fragte sie.
    »Boscowan weiß, daß er die Daze genommen hat. Was das Kokain angeht ...« Er seufzte. »Ich finde, das ist Johns Sache. Ich will ihm die Entscheidung nicht abnehmen. Ich weiß nicht, was er tun wird. Er ist vielleicht noch nicht soweit, daß er Mark gegenüber die Konsequenzen ziehen wird. Ich weiß es nicht.«
    »Du könntest ihn anzeigen.«
    »Ja.«
    »Aber du wirst es nicht tun.«
    »Ich halte es für besser, das John zu überlassen.« Er sah immer noch zum Fenster hinaus, den Kopf zum Himmel erhoben. »Es ist ein herrlicher Tag. Richtiges Flugwetter.«
    »Was ist mit Peter?« fragte sie. »Ist er jetzt entlastet? Und Sidney auch?«
    »St. James ist der Meinung, daß Brooke sich das Ergotamin in einer Apotheke in Penzance geholt hat. Man bekommt es zwar nur auf Rezept, aber die Apotheker nehmen es ja nicht immer so genau, wie wir wissen. Es hätte ja auch ganz harmlos ausgesehen. Ein Migräneanfall.
    Das Aspirin wirkt nicht. Und ein Arzt am Samstag ist nicht zu erreichen.«
    »Er glaubt nicht, daß Justin von seinen Tabletten genommen hat?«
    »Er kann sich nicht vorstellen, woher Brooke gewußt haben soll, daß er welche hat. Obwohl dies jetzt keine Rolle mehr spielt, möchte er Sidneys Unschuld dennoch zweifelsfrei beweisen. Und Peters auch. Er ist nach Penzance gefahren.«
    Lynley schwieg.
    Deborah betrachtete ihn stumm. Seine Haltung war so angespannt.
    »Tommy«, sagte sie nach einer Weile. »Ich sah dich vor dem Haus. Ich sah, daß dir nichts geschehen war. Aber als ich dann sah, wie sie den Toten heraustrugen -«
    »Das Schlimmste«, unterbrach er sie, »war, es Mutter sagen zu müssen. Ihr ins Gesicht sehen zu müssen und zu wissen, daß meine Worte sie vernichteten. Aber sie hat nicht eine Träne vergossen. Nicht vor mir. Weil wir beide wissen, daß es im Grunde meine Schuld ist.«
    »Nein!«
    »Wenn sie schon vor Jahren geheiratet hätten, wenn ich zugelassen hätte, daß sie heiraten -«
    »Tommy, nein!«
    »Darum zeigt sie mir ihren Kummer nicht. Darum erlaubt sie mir nicht, ihr zu helfen.«
    »Tommy, Darling -«
    »Es war schrecklich.« Er hob eine Hand und ließ sie wieder sinken. »Im ersten Moment glaubte ich, er würde tatsächlich auf St. James schießen. Aber er - er steckte sich die Pistole in den Mund.« Er räusperte sich. »Es war grauenvoll.« »Tommy, ich kenne ihn von klein auf. Er ist wie Familie für mich. Als ich

Weitere Kostenlose Bücher