04 - Mein ist die Rache
konnte. Das Rauschen des Regens war so einschläfernd, das Zimmer so warm, das Stimmengemurmel so beruhigend Sirenengeheul von der Straße riß sie aus ihrer Apathie. Erst eine Sirene, dann noch eine. Und einen Augenblick später eine dritte. Julianna Vendale ging ans Fenster.
Deborah und Harry Cambrey folgten ihr.
Ein Krankenwagen bog gerade von der Straße nach Penzance in die Paul Lane ein. Ein Stück weiter vorn, dort, wo die Paul Lane sich in die Hügel hinaufzuwinden begann, preschten zwei Polizeifahrzeuge durch den Regen. Im selben Moment begann in der Redaktion das Telefon zu läuten. Julianna ging hin. »Wann? ... Wo? ... Tödlich? ... Ja, gut. Danke.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, sagte sie zu Cambrey: »Bei Trenarrow ist geschossen worden.«
Deborah erschrak, fragte: »Trenarrow?«, aber da war Harry Cambrey schon auf dem Weg zur Tür. Unterwegs packte er einen Fotoapparat und einen Regenmantel, dann stieß er die Tür auf und rief Julianna Vendale über die Schulter zu: »Bleibt an den Telefonen.«
Noch während er die Treppe hinunterrannte, brauste draußen ein weiteres Polizeifahrzeug mit jaulender Sirene vorbei. Ohne sich um den Regen zu kümmern, drängten Gäste aus dem Anchor and Rose und Anwohner der Paul Lane auf die Straße hinaus und liefen dem Wagen hinterher. Harry Cambrey mühte sich, mit wehendem Mantel und fliegender Kameratasche, dem Gedränge zu entkommen. Deborah beobachtete die Szene vom Fenster aus. Vergeblich hielt sie nach ihnen Ausschau, dem blonden und dem dunklen Kopf. Aber sie mußten doch in der Menge sein. Sie mußten den Namen Trenarrow gehört haben und sofort losgelaufen sein.
»Keine Ahnung«, schallte es von der Straße herauf. »Tot, glaub' ich.«
Die Worte trafen sie wie Stromschläge. Sie sah plötzlich Simons Gesicht vor sich. Sie erinnerte sich, wie er Tommy angeblickt hatte - voll grimmiger Entschlossenheit -, ehe er ihn mit sich aus der Redaktion gezogen hatte. Entsetzt dachte sie: Sie sind zu Trenarrow gegangen.
Mit einem Aufschrei rannte sie aus dem Zimmer und hetzte die Treppe hinunter. Sie drängte sich durch das Gewühl von Menschen und stolperte hinaus. Der Regen war wie eine kalte Dusche. Ein Auto hupte, fuhr durch eine Pfütze, daß das Wasser hoch aufspritzte. Aber das alles berührte sie gar nicht. Nur die Angst zählte und die Notwendigkeit, die Villa zu finden.
Als sie den Hang oberhalb des Dorfes erreichte, raste ein letztes Polizeifahrzeug an ihr vorüber. Regenwasser und Kiesel spritzten unter seinen Rädern von der Straße auf. Es brauchte keine Sirene, um sich freie Bahn zu schaffen. Vom wolkenbruchartigen Regen abgeschreckt, hatten die weniger robusten Sensationsjäger bereits den Schwung verloren und sich in Läden und Türnischen untergestellt. Nur die Wildentschlossenen hatten den Anstieg bis zur Villa auf sich genommen. Deborah sah sie vor einer Einfahrt versammelt, wo die Polizei einen Kordon gezogen hatte, um sie auf Abstand zu halten. Die Gruppe hatte sich schweigend gefügt, bis auf Harry Cambrey, der hitzig mit einem unerbittlichen Constable stritt und Einlaß verlangte.
Trenarrows Villa stand taghell erleuchtet auf dem Hügel im strömenden Regen. Ringsum wimmelte es von uniformierten Polizeibeamten. Die blauen Lichter der Polizeifahrzeuge auf dem Vorplatz blinkten geisterhaft.
»Erschossen, hab' ich gehört«, sagte jemand.
»Haben sie schon jemanden rausgebracht?«
»Nein.«
Deborah drängte sich zwischen den Männern durch, den Blick unverwandt auf die Villa gerichtet, nach einem Zeichen Ausschau haltend. Es ging ihm gut, ihm war nichts geschehen, er mußte unter ihnen sein. Sie konnte ihn nicht finden. Sie boxte sich durch die Gruppe der Gaffer nach vorn zu den Polizeibeamten und wollte unter dem Seil durchschlüpfen.
»Nichts da, Miss!« Der Constable, der sich mit Harry Cambrey herumgestritten hatte, schrie sie aus drei Metern Entfernung barsch an.
»Aber ich -«
»Zurück!« brüllte er. »Wir sind doch nicht beim Zirkus, verdammt noch mal.«
Ohne sich um ihn zu kümmern, rannte Deborah vorwärts.
Der Drang, sich Gewißheit zu verschaffen, überschattete alles andere.
»He, Sie!« Mit drohender Gebärde setzte sich der Constable in Bewegung, um sie in die Menge zurückzubefördern. Harry Cambrey nutzte die Gelegenheit. Er drängte sich an ihm vorbei und lief die Auffahrt hinauf. »Verdammt noch mal!« brüllte der Beamte. »Sie! Cambrey!«
Da ihm nun schon der eine durch die Finger geschlüpft war, wollte er
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