04 - Mein ist die Rache
hätte lächeln, die Entschuldigung mit einem versöhnlichen Wort annehmen können. Er hätte die unausgesprochene Beleidigung mit einem Lachen als verzeihlichen Irrtum abtun können. Aber er tat nichts, und er sagte nichts. Er sah nur Deborah an, und auch sie nur einen Moment, ehe er wegblickte.
Um abzulenken, sagte Helen: »Waren die Sachen im Koffer denn sehr wertvoll, Deborah?«
»Hunderte von Pfund.« Deborah ging zum Fenster, drehte dem Licht den Rücken zu, so daß ihr Gesicht im Schatten war. Sie spürte das Hämmern ihres Bluts in ihrer Brust und spürte seine Hitze auf ihren Wangen. Sie wollte nur weinen.
»Dann muß der Dieb sie mit der Absicht gestohlen haben, sie zu verkaufen. Aber sicher nicht in Cornwall, jedenfalls nicht hier in der Gegend. Da könnte man sie zu leicht zurückverfolgen. Vielleicht in Bodmin oder Exeter oder auch in London. Und wenn das zutrifft, dann müssen sie gestern abend gestohlen worden sein, während die Gäste noch da waren. Nach John Penellins Verhaftung ging ja alles ein bißchen drunter und drüber, nicht? Im Salon war ein ständiges Kommen und Gehen.«
»Und es waren ja nicht einmal alle im Salon«, sagte Deborah. Sie dachte an Peter Lynley, an seine verletzenden Worte nach dem Essen.
St. James sah auf seine Uhr. »Du solltest Helen und Deborah jetzt zum Zug bringen«, sagte er zu Lynley. »Es hat doch keinen Sinn, daß sie bleiben. Diesem Diebstahl können wir auf den Grund zu gehen versuchen.«
»Sehr gut«, meinte Helen. »Ich merke, daß ich plötzlich eine wahnsinnige Sehnsucht nach Londoner Ruß und Schmutz habe, meine Lieben.« Sie ging zur Tür und berührte flüchtig St. James' Hand, als sie an ihm vorüberkam.
Als St. James ihr folgen wollte, sagte Lynley: »Simon! Verzeih mir. Ich habe keine Entschuldigung.«
»Nur deinen Bruder und Penellin. Laß gut sein, Tommy. Es ist schon in Ordnung.«
»Nein, das ist es nicht. Ich habe mich idiotisch benommen.«
St. James schüttelte den Kopf, aber sein Gesicht war angespannt. »Laß es. Bitte. Vergiß es.« Er ging aus dem Zimmer.
St. James hörte das herzhafte Gähnen seiner Schwester, als diese ins Speisezimmer kam. »Mann, war das ein Abend!« Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm an den Tisch. Den Kopf in die Hand gestützt, griff sie nach der Kaffeekanne und schenkte sich ein. Als hätte sie sich nicht die Mühe gemacht, vor dem Ankleiden aus dem Fenster zu sehen, trug sie leuchtend blaue Shorts, über und über mit glitzernden Silbersternchen besät, und dazu ein leichtes Hemd mit dünnen Trägern. »Gift und Galle bei der Gratulationstour, Besuch von der Polizei und dann auch noch eine Verhaftung. Ein Wunder, daß wir das alles heil überstanden haben.« Sie warf einen Blick auf die zugedeckten Schalen und Schüsseln auf dem Büffet, zuckte mit den Schultern, als fände sie es viel zu anstrengend, extra aufzustehen, und nahm sich statt dessen eine Scheibe Schinken vom Teller ihres Bruders.
»Sid ...«
»Hm?« Sie zog ein Stück Zeitung zu sich heran. »Was liest du da?«
St. James antwortete nicht. Er hatte den Spokesman durchgesehen und wollte einen Moment Ruhe haben, um sich aus dem, was er gelesen hatte, ein Bild zu machen.
Der Spokesman war ein Dorfblättchen, dessen Inhalt größtenteils aus Lokalnachrichten bestand. Und wie eng und intensiv auch immer Mick Cambreys Verbindung zu der kleinen Zeitung gewesen sein mochte, St. James hatte beim besten Willen nichts entdeckt, woraus sich ein Anlaß zur Ermordung des Mannes hätte konstruieren lassen. Die Nachrichten umfaßten Reportagen über eine Hochzeit, die kürzlich in der Lamorna-Bucht gefeiert worden war, über die Festnahme eines langgesuchten Taschendiebs aus Penzance, über Rationalisierungsmaßnahmen, die man auf einer Meierei unweit von St. Buryan eingeführt hatte. Das Feuilleton enthielt eine Besprechung der Inszenierung von Viel Lärm um nichts in Nanrunnel und ein Porträt der jungen Frau, die die Hero gespielt hatte. Im Sportteil wurde von einem örtlichen Tennisturnier berichtet, und der Polizeiberichterstatter hatte nichts Aufsehenerregenderes zu melden als einen Zusammenstoß zwischen einem Lastwagen und einer Kuh, die die Vorfahrt nicht beachtet hatte. Lediglich die Seite mit den Leitartikeln und den Leserbriefen zeigte eine gewisse Verheißung, aber die bezog sich ausschließlich auf die Zukunft der Zeitung, ein möglicher Beweggrund für den Mord an Mick Cambrey war auch hier nicht zu entdecken.
Die beiden
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