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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Leitartikel waren von Cambrey und Julianna Vendale geschrieben, der eine ein Aufruf, dem Waffenschmuggel nach Nordirland endlich einen Riegel vorzuschieben, der andere ein Kommentar zum Kinderschutz. Die Briefe, vor allem aus Nanrunnel und Penzance, bezogen sich auf frühere Artikel über Vergrößerungsbestrebungen der Gemeinde und das Absinken der Noten in der örtlichen höheren Schule. Dies alles spiegelte zwar Mick Cambreys Bemühen, aus der Zeitung mehr zu machen als ein Vehikel für den Dorfklatsch; aber nichts darunter war von solcher Brisanz, daß man darin ein Mordmotiv hätte sehen können.
    St. James dachte darüber nach, daß Harry Cambrey glaubte, sein Sohn habe an einer Story gearbeitet, die dem Spokesman nationale Anerkennung eingebracht hätte. Und er dachte darüber nach, daß Mick, anscheinend ohne seinem Vater seine Absichten mitzuteilen, vorgehabt hatte, diese Story einem größeren Publikum zugänglich zu machen, als das in diesem entlegenen Winkel Cornwalls möglich war. Er fragte sich, ob der alte Cambrey irgendwie davon Wind bekommen hatte, daß sein Sohn Zeit, Geld und Arbeit für etwas aufwendete, das dem Spokesman überhaupt keinen Nutzen bringen würde. Angenommen, Harry Cambrey hatte das entdeckt, wie hätte er darauf reagiert? Hätte er in blinder Wut zugeschlagen, wie er das schon einmal getan hatte?
    Jede Frage in Zusammenhang mit dem Mord verlangte ein Abwägen zwischen Vorsatz und Affekt. Die Tatsache, daß ein Streit stattgefunden hatte, legte genau wie die Verstümmelung der Leiche Affekt nahe. Aber andere Details - das Chaos im Wohnzimmer, das verschwundene Geld - ließen auf Vorsatz schließen. Und selbst der Autopsiebefund würde da wahrscheinlich keine klare Trennung schaffen können.
    »Wo sind eigentlich alle?« Sidney stand auf und ging mit ihrem Kaffee zu einem der Fenster. Sie setzte sich auf die Fensterbank. »Ist scheußlich draußen. Es fängt bestimmt gleich an zu regnen.«
    »Tommy ist mit Deborah und Helen zum Bahnhof gefahren. Sonst habe ich noch niemanden gesehen.«
    »Justin und ich sollten eigentlich auch abreisen. Er muß morgen arbeiten. Hast du ihn gesehen?«
    »Heute morgen noch nicht.« St. James war nicht traurig darüber. Je weniger er von Brooke zu sehen bekam, desto angenehmer war es ihm. Er konnte nur hoffen, daß seine Schwester möglichst bald zur Vernunft kommen und sich von diesem Mann trennen würde.
    »Hm, vielleicht sollte ich ihn mal aufstöbern«, sagte Sidney, machte aber keine Anstalten, es zu tun, und saß immer noch mit ihrem Kaffee am Fenster, als Daze Asherton erschien. Daß sie nicht zum Frühstücken gekommen war, verriet ihre Kleidung: Blue Jeans, die über die Knöchel aufgekrempelt waren, ein weißes Baumwollhemd und eine Baseballmütze. In einer Hand hielt sie ein Paar dicke Gärtnerhandschuhe.
    »Ah, hier sind Sie, Simon. Gut«, sagte sie. »Kommen Sie einen Moment mit? Es handelt sich um Deborahs Fotosachen.«
    »Haben Sie sie gefunden?« fragte St. James.
    »Gefunden?« wiederholte Sidney verständnislos. »Hat Deb etwa zu allem Überfluß auch noch ihre Fotoausrüstung verloren?«
    Sie schüttelte den Kopf und kehrte zum Tisch zurück, um sich das Stück Zeitung zu nehmen, das ihr Bruder aus der Hand gelegt hatte.
    »Im Garten«, sagte Daze Asherton kurz, und St. James folgte ihr nach draußen, wo ein salziger Wind eine finstere Wolkenbank vom Meer landwärts peitschte.
    Einer der Gärtner erwartete sie am äußersten Ende des Südflügels. Mit der Gartenschere in der Hand, eine alte Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, stand er unter einer Buche. Er begrüße Daze Asherton und St. James mit einem Nicken und wies dann auf den großen alten Taxusstrauch, der an das Haus anstieß.
    »Jammerschade«, sagte er. »Den hat es schlimm erwischt.«
    »Deborahs Zimmer befindet sich direkt darüber«, erklärte Daze Asherton.
    St. James sah den Strauch an. Die dem Haus zugewandte Seite war völlig zerstört, die Blätter abgerissen, Zweige und Äste geknickt, viele gebrochen, allem Anschein nach von einem Gegenstand, der von oben auf den Strauch heruntergefallen war. Der Schaden war frisch, das war an den Bruchstellen der Äste zu erkennen, von denen der typische Taxusgeruch aufstieg.
    St. James trat ein paar Schritte zurück und sah zu den Fenstern hinauf. Er rief sich den Grundriß des Hauses ins Gedächtnis. Das Speisezimmer und der Salon, in denen sich am vergangenen Abend die Gäste aufgehalten hatten, waren weit entfernt. Es hatte

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