04 - Mein ist die Rache
aufgetaucht war.
»Ihr Mann!« sagte er. »Er liegt tot in der Bucht.«
15
Als St. James seine Schwester endlich einholte, hatte diese, allen anderen weit voraus, die Bucht schon erreicht. In der wilden Jagd durch den Park und das Wäldchen war sie irgendwo gestürzt. Ihre Arme und Beine waren blutverschmiert. Von der Höhe der Felswand beobachtete er, wie sie sich über Brooke warf und ihn in die Höhe riß, als könnte sie ihm dadurch wieder Leben einhauchen. Ihr Atem ging kürz und abgehackt. Sie sprach sinnlos, in abgerissenen Worten auf ihn ein, während sie ihn an sich gedrückt hielt. Brookes Kopf hing schlaff und unnatürlich zur Seite, Indiz dafür, wie er ums Leben gekommen war.
Sidney ließ ihn wieder zu Boden sinken. Sie öffnete seinen Mund und drückte in einem fruchtlosen Versuch der Wiederbelebung ihre Lippen auf seine. Selbst von der Höhe des Felsens aus konnte St. James ihre verzweifelten Schreie hören, als sie sah, daß ihre Bemühungen erfolglos blieben. Sie trommelte ihm mit den Fäusten auf die Brust. Sie riß sein Hemd auf. Sie warf sich der Länge nach über ihn und schmiegte sich an ihn, als wolle sie ihn im Tod erregen, wie sie es im Leben getan hatte. Es war eine grausame Verführungsszene. St. James lief es bei dem Anblick eiskalt den Rücken hinunter. Er rief seine Schwester beim Namen, aber es half nichts.
Schließlich blickte sie an der Felswand empor und sah ihn. Sie hob ihm wie flehend einen Arm entgegen und begann, endlich zu weinen. Es waren Tränen der Verzweiflung und des Schmerzes. Sie bedeckte Brookes zerschundenes Gesicht mit Küssen, ehe sie ihren Kopf senkte und auf seine Brust legte. Sie weinte unaufhörlich, voll Schmerz, voll Zorn und Wut. Sie packte den Toten bei den Schultern, riß ihn hoch und schüttelte ihn, während sie immer wieder Brookes Namen rief. Und der Kopf des Toten wackelte auf dem zertrümmerten Genick.
St. James stand reglos da und zwang sich, den Blick nicht von seiner Schwester zu wenden, sondern ihren Schmerz mitanzusehen, als wäre das die gerechte Strafe dafür, daß seine elenden Beine ihm nicht erlaubten, ihr zu Hilfe zu eilen. Als sein Arm berührt wurde, fuhr er wütend herum. Daze Asherton stand neben ihm, begleitet vom Gärtner und mehreren anderen Gutsangestellten. »Holt sie von ihm weg.«
Er schaffte es kaum, die Worte auszusprechen.
Mit einem letzten besorgten Blick auf sein Gesicht setzte sich Daze Asherton in Bewegung. Schnell und gewandt kletterte sie den steilen Felspfad hinunter. Die anderen folgten ihr mit Decken, einer provisorischen Trage, einer Thermosflasche und einem Seil. St. James schien es, als bewegten sie sich im Zeitlupentempo. Als erstes zog Daze Asherton Sidney von dem Toten weg. Als Sidney sich wehrte und laut zu schreien anfing, rief Daze Asherton einen der Männer, die hinter ihr standen, zu Hilfe. Der Mann reichte ihr ein offenes Fläschchen. Sie zog Sidney an sich, faßte sie bei den Haaren und hielt ihr das Fläschchen direkt unter die Nase. Sidney warf den Kopf zurück und griff sich mit der Hand an den Mund. Sie sagte etwas zu Daze Asherton, worauf diese die Felswand hinauf deutete.
Sidney begann den Anstieg. Der Gärtner half ihr. Die anderen folgten ihr. Alle sorgten dafür, daß sie nicht stolperte oder stürzte. Wenig später nahm St. James sie in seine Arme. Er hielt sie fest an sich gedrückt und legte seine Wange auf ihr Haar, während er sich gegen den Aufruhr seiner eigenen Gefühle wehrte, die ihn beinahe überwältigt hätten. Als Sidney ein wenig ruhiger geworden war, trat er mit ihr den Weg zum Haus an. Aus Angst, sie könne von neuem in Hysterie ausbrechen, hatte er beide Arme um sie geschlossen.
Sie schritten unter den Bäumen des Wäldchens entlang. St. James nahm nichts von der Umgebung wahr; nicht das Rauschen des Flusses, den starken Geruch der Pflanzen rundum, den weichen, lehmigen Boden unter seinen Füßen. Wenn sich Zweige oder Dornen auf dem schmalen Pfad in seinen Kleidern verfingen, so achtete er nicht darauf.
Die drückende Schwüle kündete von einem nahenden Gewitter, als sie die Mauer von Howenstow erreichten und durch das Tor gingen. Der aufkommende Wind strich raschelnd durch das Laub der Bäume, und ein graues Eichhörnchen flitzte den Stamm eines Baums hinauf und verschwand schutzsuchend im Gewirr seiner Äste. Sidney hob den Kopf von der Brust ihres Bruders.
»Es fängt an zu regnen«, sagte sie. »Simon, dann wird er ganz naß.«
St. James schloß sie fester in
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