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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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die Arme und drückte einen Kuß in ihr Haar. »Nein, nein, es ist schon gut.« Er bemühte sich, wie der ältere Bruder von früher zu sprechen, der sie nach ihren Alpträumen getröstet und die nächtlichen Ungeheuer vertrieben hatte. »Sie kümmern sich schon um ihn, Sidney.«
    Große, schwere Tropfen fielen laut auf die Blätter der Bäume. Sidney fröstelte.
    »Wie Mama uns ausgeschimpft hat«, flüsterte sie.
    »Ausgeschimpft? Wann denn?«
    »Du hattest alle Kinderzimmerfenster aufgemacht, weil du sehen wolltest, wieviel Regen dann hereinkommt. Und sie hat fürchterlich geschimpft. Sie hat dich sogar verhauen.«
    Sie schluchzte auf. »Ich konnte es nie ertragen, wenn Mama dich geschlagen hat.«
    »Der Teppich war hinüber. Ich hatte es verdient.«
    »Aber ich hatte mir das doch ausgedacht. Und ich ließ es dich ausbaden.« Sie hob die Hand zum Gesicht. Zwischen ihren Fingern klebte geronnenes Blut. Sie begann wieder zu weinen. »Es tut mir so leid.«
    Er streichelte ihr Haar. »Ist ja gut, Sidney. Ich hatte das ganz vergessen. Glaub mir.«
    »Ich versteh' nicht, wie ich so gemein zu dir sein konnte, Simon. Du warst doch mein Lieblingsbruder. Dich hatte ich am liebsten. Nancy hat immer gesagt, es wäre schlecht, daß ich dich lieber habe als Andrew und David, aber ich konnte es nicht ändern. Ich hatte dich einfach am liebsten. Aber dann hab' ich einfach zugesehen, wie du für etwas Schläge bekamst, was ich angezettelt hatte.« Ihr Gesicht war naß von Tränen, die, wie St. James wußte, in Wirklichkeit mit den Erlebnissen der Kindheit nichts zu tun hatten.
    »Soll ich dir mal was sagen, Sid«, meinte er verschwörerisch. »Aber du mußt mir versprechen, daß du es niemals David oder Andrew verrätst. Ich hatte dich auch am liebsten. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Sie erreichten das Tor und traten in den Garten. Der Wind wurde stärker. Er riß an den Rosen und wehte stoßweise Blütenblätter auf den Weg. Obwohl es jetzt heftig zu regnen begann, gingen sie nicht schneller. Als sie ins Haus traten, waren sie beide bis auf die Haut durchnäßt.
    »Jetzt wird Mama aber schimpfen«, sagte Sidney, als St. James die Tür hinter ihnen schloß. »Wollen wir uns nicht lieber verstecken?«
    »Ach, vorläufig sind wir erst mal sicher.«
    »Aber ich laß nicht zu, daß sie dich verhaut.«
    »Das weiß ich, Sid.« St. James führte seine Schwester zur Treppe. Als sie zögerte und sich sichtlich verwirrt umblickte, nahm er sie bei der Hand. »Komm«, drängte er behutsam.
    »Nur die Treppe hinauf.«
    Oben erblickte er Cotter mit einem kleinen Tablett in den Händen und dankte den Mächten, die Cotter die Gabe verliehen hatten, seine Gedanken zu lesen.
    »Ich habe Sie kommen sehen«, erklärte Cotter mit einer Kopfbewegung zum Tablett. »Brandy. Ist sie -« Er warf einen stirnrunzelnden Blick auf Sidney.
    »Es wird ihr sicher gleich wieder besser gehen. Helfen Sie mir, Cotter. Ihr Zimmer ist gleich dort drüben.«
    Sidneys Zimmer war im Gegensatz zu dem Deborahs hell und freundlich, ganz in Gelb und Weiß gehalten, mit einem großen Fenster, unter dem ein kleiner, von einer Mauer umgebener Garten lag. St. James drückte seine Schwester aufs Bett und zog dann die Vorhänge zu, während Cotter den Brandy einschenkte und Sidney das Glas an die Lippen hielt.
    »Nur einen kleinen Schluck, Miss Sidney«, sagte er fürsorglich. »Damit Ihnen wieder warm wird.«
    Sie trank gehorsam. »Weiß es Mama?« fragte sie.
    Cotter warf St. James einen sorgenvollen Blick zu. »Kommen Sie«, sagte er. »Trinken Sie noch etwas.«
    St. James suchte in der Kommode nach ihrem Nachthemd. Er fand es, typisch Sidney, unter einem Stapel Pullover und Strümpfe.
    »Du mußt die nassen Sachen ausziehen«, sagte er zu ihr.
    »Cotter, würden Sie mir ein Handtuch holen, damit ich ihr das Haar trocknen kann? Und Pflaster für die Schrammen.«
    Cotter nickte, sah Sidney noch einen Moment aufmerksam an und ging dann hinaus. St. James kleidete seine Schwester aus und warf die nassen Sachen zu Boden. Ex zog ihr das Nachthemd über den Kopf, führte ihre Arme vorsichtig unter den schmalen Satinträgern hindurch. Sie sprach kein Wort, schien seine Anwesenheit überhaupt nicht wahrzunehmen. Als Cotter mit einem Handtuch und Heftpflaster zurückkam, frottierte St. James seiner Schwester gründlich das Haar, säuberte dann die Verletzungen am Arm und verklebte die offenen Stellen mit Pflaster. Er hob ihre Beine auf das

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