04 The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nebel der Vergangenheit
zu haben«, fügte er hinzu, ein Flackern der Erheiterung auf dem Gesicht.
»I ch suche einen Freund«, murmelte ich, während mein Blick von einer Seite zur anderen huschte. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich Violet gar nicht mehr gesehen hatte. Ich musste schleunigst weitersuchen, nicht nur nach einem Mörder, sondern auch nach einem unschuldigen Mädchen. Ich musste mich dringend davon überzeugen, dass sie immer noch in Sicherheit war.
»B etrachten Sie ihn als gefunden!«, erwiderte Samuel wohlgelaunt und versperrte mir weiterhin den Weg.
»N icht Sie«, antwortete ich und begriff erst, nachdem die Worte meinen Mund verlassen hatten, wie schroff sie klangen. »I ch meine, ich suche nach einer Freundin. Nach Violet.«
»V iolet!« Seine Augen leuchteten auf, als er den Namen hörte. »N atürlich, ich dachte, ich hätte sie drüben an der Bar gesehen… Wollen Sie mich vielleicht begleiten?«
Doch jetzt warf ich alle erzwungene Höflichkeit über Bord und stürmte einfach in Richtung Bar davon, während ich verzweifelt den Blick über die Menge schweifen ließ. Mit einem Mal bemerkte ich, dass sich die Menschenmassen etwas lichteten und ich schließlich sogar stehen bleiben konnte, ohne angerempelt zu werden. Ich erlaubte mir einen Moment, mich umzusehen und neu zu orientieren. An der gegenüberliegenden Seite des Lagerhauses standen zwei Türen halb offen, die auf den Kai und das dahinterliegende Wasser führten. Die Türen wurden durch hölzerne Milchkisten offen gehalten, wahrscheinlich, um frische Luft einzulassen. Trotzdem war dieser Teil des Raums– während der Rest des Lagerhauses überfüllt war– unbeleuchtet und verlassen. Ich roch den Duft von Spinnweben und Moder.
Und Blut.
Draußen zogen die Wolken über den Himmel und ein Strahl des Mondlichts wurde von einem verdreckten Fenster widergespiegelt. Mein Blick fiel auf einen zerknitterten Haufen in der Ecke. Zuerst hoffte ich, dass es sich um nichts anderes als ein Stück weggeworfenen Stoffs handelte. Aber dem war nicht so. Der Stoff war smaragdgrün.
Ich erbleichte, denn noch bevor ich mich dem Stoff näherte, wusste ich, was mich erwarten würde.
Trotzdem konnte ich einen erstickten Aufschrei nicht unterdrücken.
Es war Violet, ihre Kehle aufgeschlitzt, ihre forschenden blauen Augen blicklos auf das Gedränge von Leuten gerichtet, die nur wenige Meter von ihrer kalten, weißen Gestalt entfernt tanzten.
Kapitel Dreizehn
Mein erster Gedanke war, dass ich Violet so schnell wie möglich wegbringen musste, bevor der Mörder zurückkam, um sie auf seine übliche Art zu verstümmeln. Hastig hob ich sie hoch und legte sie mir über die Schulter. Ihr Körper wurde von Minute zu Minute kälter; die Berührung ihres Leibes sandte mir einen Schauder über den Rücken. Sie war tot. Und vom Mörder keine Spur.
Ich schaute mich wild um. Das Orchester war zu einem Walzer übergegangen und im vorderen Teil des Lagerhauses drängten sich die tanzenden Paare im Kerzenschein. Wahrscheinlich war der Mörder irgendwo in dieser Menge und schlängelte sich mit entschuldigenden Verbeugungen nach links und rechts hindurch.
Meine Reißzähne pulsierten, ja, lechzten danach zu kämpfen. Aber dazu war jetzt keine Zeit. Ich verließ das Lagerhaus durch eine der halb offenen Türen und legte Violet draußen auf dem Kai auf eine Plane, mit der irgendetwas abgedeckt war. Die Blutströpfchen auf ihrem Mieder bildeten ein sternartiges Muster und die schwarze Umrandung ihrer Augen war verlaufen und ließ ihr Gesicht aussehen, als sei es mit Tränen bemalt.
Aber ich verspürte keinen Kummer. Was ich verspürte, war tiefer, urtümlicher. Es war Zorn auf die Person, die das getan hatte, und es war Verzweiflung. Das hier würde immer wieder geschehen, es würde weitere Opfer wie Violet geben. Es spielte überhaupt keine Rolle, ob ich nach Amerika zurückkehrte oder nach Indien ging oder einfach wie ein Nomade durch die Lande reiste. Wie viele Morde würde ich noch mit ansehen müssen in der Gewissheit, dass der Tod niemals zu mir kam?
Ich schaute auf Violets schlaffen Körper hinab und zwang mich, diese Gedanken beiseite zu schieben. Stattdessen dachte ich an Violets kurzes Leben. Ihre kindliche Freude, als sie in ihre feinen Kleider geschlüpft war, ihr glückseliges Gesicht am Ende der Musikrevue im Theater, ihr unerschütterlicher Glaube an das Gute auf der Welt. Ich würde sie vermissen. Violet war mutig und leidenschaftlich und lebendig gewesen. Aber auch dumm
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