04 The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nebel der Vergangenheit
Schulter sinken. »M ir ist so kalt«, wisperte sie.
»I ch weiß. Ich weiß.« Ich strich ihr übers Haar und wünschte, ich könnte ihr den Tod erleichtern. Er wird leichter werden, sagte ich mir. Sobald wir in Abbott Manor und außer Gefahr waren, würde Violet in der Stille meines Cottages Trost finden und friedlich hinübergehen können. Sie hatte ein hartes Leben gehabt. Vielleicht würde sie es im Jenseits endlich besser haben.
Violet beruhigte sich etwas, bis ihr Atem ganz regelmäßig ging und sie eingeschlafen war. Ich schaute erneut aus dem Fenster. Der Himmel schien klarer zu werden, je weiter wir uns von London entfernten. Plötzlich hörte ich ein schwaches Geräusch. Es kam vom Gang.
»J a?«, rief ich scharf. Bestimmt war es der Schaffner, der weitere Scones oder neue Zeitungen brachte.
Aber niemand antwortete, während das Geräusch anhielt. Ein beharrliches Kratzen, das jedoch nicht von einer irgendwo eingeschlossenen Ratte herrühren konnte. Dafür war es viel zu laut.
Da hörte ich ein weiteres Geräusch. Es klang, als habe der Zug ein großes Tier gerammt. Aber der Zug ratterte unerschütterlich weiter. Ich beugte mich näher zum Fenster und ein langes, leises Knurren kam mir über die Lippen.
Henry, Samuels Bruder, sah mich durch das Fenster an. Er hing kopfüber vom Dach des Zuges und hatte das Gesicht gegen die Scheibe gepresst, sein goldblondes Haar wehte im Wind.
Wir blickten uns in die Augen und im ersten Moment schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Violets eifriger Verehrer mit dieser Art von Annäherung deutlich zu weit ging. Aber dann bemerkte ich seine langen Reißzähne und seine blutunterlaufenen Augen und langsam dämmerte es mir. Henrywar ein Vampir. Und Henry war nicht gekommen, weil er Violet anbetete. Er war auf der Jagd– und er jagte uns.
Ich riss die blauen Damastvorhänge des Fensters zu und suchte in wilder Aufregung nach irgendeiner Möglichkeit zur Flucht. Natürlich gab es keine. Mein Herz verhärtete sich. Das war Damons Werk. Es konnte gar nicht anders sein. Warum sonst sollte Henry hier auftauchen? Schon als Kind hatte Damon unsere Freunde dazu angestachelt, Steine auf einen vorbeifahrenden Zug zu werfen oder während eines Barbecues die Hühner freizulassen– ohne selbst eine Bestrafung zu riskieren. Jetzt tat er das gleiche, nur dass es sich um Vampire handelte.
Ich musste Violet beschützen. Ich konnte nicht zulassen, dass sie in Henrys Fänge geriet und dazu gezwungen wurde, Blut zu trinken. Ich konnte nicht zulassen, dass sie gegen ihren Willen in einen Vampir verwandelt wurde. Hastig stahl ich mich aus dem Abteil nach draußen und kletterte die wacklige Leiter zum Dach des Eisenbahnwaggons hinauf. Der Wind peitschte mir entgegen und Ruß, Rauch und Dampf der Lokomotive machten es fast unmöglich, irgendetwas zu sehen.
»H enry!«, schrie ich und hielt mich an dem Abzugsrohr fest, das aus dem Dach des Zuges ragte. Ich duckte mich, bereit für einen Kampf.
Doch nichts geschah. Der Zug ratterte weiter. Ein Hauch von Zweifel stieg in mir auf. Konnte ich eine Art Vision gehabt haben? Eine paranoide Halluzination?
Da hörte ich einen gellenden Aufschrei hinter mir.
Noch bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich ein Gewicht in meinem Rücken und eiskalte Hände um meinen Hals. Ich keuchte auf und versuchte, mich zu befreien, doch ich wurde fest im Würgegriff gehalten, ein Arm drückte gegen meine Luftröhre. Ich stöhnte und wehrte mich, verzweifelt darauf bedacht, das Gleichgewicht zu bewahren.
»B ereit zu sterben?«, flüsterte Henry mir mit seinem untadeligen aristokratischen Akzent ins Ohr. Ich spürte seinen heißen Atem auf meinem Hals. Er verstärkte seinen Griff.
Sterben … Sterben … Sterben … Das Wort hallte in meinem Kopf wider. Ich hatte vergessen, wie es war, gejagt zu werden. Aber jetzt war ich gefangen. Und wenn es mir nicht gelang, irgendetwas zu unternehmen, würde ich tatsächlich sterben. Und Violet würde Schlimmeres als der Tod bevorstehen. Ich musste irgendetwas tun. Ich musste…
Verhalt dich ganz still! Plötzlich hörte ich eine Stimme in meinem Kopf– Lexis? Meine eigene?–, die mir Anweisungen gab. Anweisungen, die all meinen Instinkten widerstrebten. Mein Arm zuckte unter Henrys Griff. Keine Bewegung, beharrte die Stimme.
»A ngst? Du dachtest wohl, ich wäre nur einer von Damons kleinen, aalglatten Freunden, ohne Bedeutung und ohne Interesse für einen großen, starken amerikanischen Vampir. Hab ich nicht
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