04 The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nebel der Vergangenheit
griff nach ihrer Hand. Ich hoffte, dass der Hof der Abbotts und seine Umgebung Violet an ihre grüne, hügelige irische Heimat erinnern würde. Es war ein schwacher Trost, aber es war das Beste, was ich für sie tun konnte.
Violet nickte ergeben und ich nahm sie in meine Arme. Bei ihrem Anblick quälten mich furchtbare Schuldgefühle und ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Ich wehrte mich nicht dagegen, ich ließ ihnen freien Lauf und beobachtete, wie sie auf Violets Haar landeten. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte ihr irgendwie helfen. Ich hatte für Violets Sicherheit sorgen wollen. Und was hatte ich erreicht? Jetzt hielt ich sie in meinen Armen– voller Vampirblut. Ich hatte versagt.
Kapitel Vierzehn
Schon manches Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas oder irgendjemand über mich wachte. Denn wie sonst war es möglich, dass ich es zusammen mit Violet bis zum Bahnhof nach Euston schaffte, ohne von der Polizei oder einem besorgten Passanten angehalten zu werden? Natürlich trugen wir nicht länger unsere blutbefleckten Sachen, nachdem es mir gelungen war, einigen anderen Reisenden ein paar Kleidungsstücke aus dem Gepäck zu stehlen. Aber trotzdem, ich musste Violet stützen und selbst ein oberflächlicher Beobachter konnte sehen, dass sie dem Tode nah war. Und doch hatte niemand uns bemerkt.
Ich betrachtete es nicht länger als Schicksal. Vielleicht hätte ich das früher getan. Jetzt dagegen sah ich es als Beweis für das mir innewohnende Böse an. Ich machte den Menschen Angst. Die Einzigen, die uns vielleicht den Weg versperrten, würden andere Ungeheuer sein.
Sobald wir den Bahnhof erreicht hatten, klaubte ich die letzten paar Münzen aus meiner Tasche zusammen, um Fahrkarten nach Ivinghoe zu kaufen. Wir nahmen den ersten Zug hinaus aus der Stadt; eigentlich hätte ich Erleichterung verspüren sollen. Aber so war es nicht. Denn ich hatte keine Ahnung, wann Violet sterben würde. Ich hoffte nur, dass ich sie noch rechtzeitig in mein Cottage bringen konnte.
»S tefan?«, fragte Violet, während ihre Finger so leicht wie die Flügel eines Kolibris über meinen Arm glitten.
»J a?«, erwiderte ich und löste den Blick vom Fenster. Violets Wangen waren leicht gerötet und in ihren Augen lag ein hoffnungsvoller Schimmer, als stünde sie gar nicht an der Schwelle des Todes. Wir waren jetzt seit fast einer Stunde unterwegs und befanden uns inzwischen am äußeren Rand des ausgedehnten Londoner Stadtgebietes. Schon der Anflug von Landluft wirkte Wunder bei Violet. Aber auch das würde sie nicht retten.
»I ch fühle mich besser«, flüsterte sie aufgeregt; offensichtlich dachte sie das gleiche wie ich. »D enkst du, ich werde vielleicht überleben?«
»N ein«, antwortete ich traurig. Ich wollte nicht grausam sein, aber es wäre noch schlimmer gewesen, falsche Hoffnungen in ihr zu wecken. Ganz gleich, wie sie sich fühlte oder wie sie aussah, Violets Schicksal war besiegelt.
»O h«, murmelte Violet leise, presste die Lippen aufeinander und starrte auf die Landschaft, die vor dem Fenster vorbeizog. Unser Abteil sah genauso aus wie jenes auf meiner Fahrt nach London. Zwischen uns stand ein silbernes Teetablett mit Porzellantellern, auf denen sich Scones und Sandwiches stapelten. Es war immer noch sehr früh am Morgen und der Zug fast leer. Violet war immer wieder halb eingeschlafen und hatte zwischendrin zierliche Bissen von einem der Scones genommen. Ich hatte den größten Teil der Fahrt damit verbracht, aus dem Fenster zu starren. Die üppig grüne Landschaft passte ganz und gar nicht zu meiner düsteren Stimmung.
»S obald der Verwandlungsprozess beginnt, gibt es kein Heilmittel mehr«, erklärte ich sanft.
»E s sei denn, ich trinke menschliches Blut«, sagte Violet.
»D as ist kein Heilmittel«, korrigierte ich sie grimmig.
»I ch weiß«, antwortete Violet leise, bevor sie ins Leere starrte.
»W enn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich mich für den Tod entscheiden«, stellte ich fest. Ich legte meine Hand auf ihre, um sie zu trösten.
»E s gibt so vieles, was ich noch nicht gesehen und getan habe«, sagte Violet unglücklich. »I ch stand noch nie auf der Bühne, ich habe keine Kinder… ich war noch nicht einmal richtig verliebt.«
Ich streichelte ihre zierliche Hand. Es gab nichts, was ich darauf hätte sagen können, zumal ich sie nicht an Henry erinnern und zusätzlichen Schmerz hervorrufen wollte.
Violet schluchzte und ließ den Kopf an meine
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