04 Verhaengnisvolles Schweigen
auch Nachforschungen angestellt zu haben. Es sah so aus, als würde Sam Greenock lügen. Weaver könnte sich natürlich auch selbst geschützt haben, aber er war ein guter Beamter, und Banks neigte dazu, ihm zu glauben.
Am Vorabend hatten Banks und Hatchley Fletcher verhören wollen, aber er war nicht zu Hause gewesen. Auf dem Rückweg hatten sie einen Nachttrunk im White Rose genommen und waren dann früh zu Bett gegangen. Mrs Greenock war ihnen erneut geschickt aus dem Wege gegangen.
Das Frühstück schien Hatchley aufzuheitern. Es wurde von Katie serviert, die rot anlief und hinausrannte, kaum dass sie ihnen die Teller hingestellt oder besser gesagt hingeworfen hatte, und bestand im Hauptgang aus zwei Spiegeleiern, zwei dicken Streifen Yorkshirespeck, Cumberlandwurst, gegrillten Pilzen und Tomaten sowie zwei Scheiben geröstetem Brot, um den Teller abzuwischen. Davor hatten sie Grapefruitsaft getrunken und Müsli gegessen, zu guter Letzt gab's Toast und Marmelade. Der Toast war tatsächlich warm, und Hatchley, dessen Gleichgewicht wiederhergestellt war, spielte den Erstaunten und zuckte mit seiner Hand von der Scheibe zurück.
»Was liegt an, nachdem wir mit Fletcher gesprochen haben?«, wollte er wissen.
»Wir müssen alles zusammentragen, die Verhöre abtippen und schauen, was wir haben. Ich bin zum Mittagessen mit dem Superintendent verabredet, also können Sie von mir aus den Rest des Tages freinehmen und morgen in aller Frische anfangen.«
Sergeant Hatchley strahlte.
»Ich kann Sie zu Hause rauslassen«, sagte Banks. »Ich muss sowieso zurück nach Eastvale und Sandra und die Kinder abholen.«
Sie tranken ihren Tee aus und überließen das Esszimmer dem ruhigen belgischen Ehepaar am Fenster und den Jungverheirateten in der Ecke, die nur Augen füreinander hatten. Von den Greenocks war nichts zu sehen.
Draußen auf der Brücke standen wie üblich die drei Männer, mit denen Banks gestern gesprochen hatte. Als sie an ihnen vorbeigingen, erkannte ihn derjenige, der die Sprecherrolle übernommen hatte, und nickte ihm kurz und grimmig zu.
Im Auto stupste Hatchley Banks an. »Normalerweise muss man seit zwei Generationen hier leben, um von diesen Typen überhaupt wahrgenommen zu werden. Was haben Sie gemacht, jedem einen Zehner zugesteckt?«
»Londoner Charme«, sagte Banks grinsend. »Purer Charme und ein bisschen Glück.«
Ungefähr drei Kilometer talwärts überquerten sie eine schlichte Brücke und fuhren auf einer engen, verdreckten Straße den Hang hinauf. Fletchers Farmhaus war eine stabile Steinkonstruktion, die so aussah, als wäre sie wie eine Felsnase an der Erdoberfläche erstarrt. Um die Rückseite herum waren eine Reihe Pferche und Gräben zum Desinfizieren und Scheren der Schafe angelegt. Diesmal war er zu Hause.
»Tut mir leid, dass ich nicht da war«, sagte Fletcher, als Banks erwähnte, dass sie es schon einmal versucht hatten. »Ich hatte in Hawes zu tun. Aber kommen Sie rein und machen Sie es sich bequem.«
Sie folgten ihm ins Wohnzimmer, einem spartanischen Raum mit nackten, verputzten Wänden, Stühlen mit harten Lehnen und einem stabilen Tisch, auf dem ein altes Radio stand. Damit hatte sich die Einrichtung erschöpft. Wie viel Geld Fletcher auch auf der Bank hatte, er verschwendete es bestimmt nicht für Luxus. Durch das kleine Fenster sah man hinaus in das Tal. Mit einem solchen Ausblick, dachte Banks, braucht man wohl auch keine Gemälde und keinen Fernseher.
Doch ein Gegenstand erregte sofort seine Aufmerksamkeit, teilweise, weil er einfach nicht in diese grundmännliche Umgebung passte. Auf dem Kaminsims stand eine goldgerahmte Fotografie einer Frau. Bei näherer Betrachtung, während Fletcher Tee aufbrühen ging, wirkte das Foto auf Banks doppelt fehl am Platze. Die Frau mit ihren sorgfältig gezupften Augenbrauen, dem fröhlichen Lachen und den langen, welligen, walnussbraunen Haaren sah nicht im Mindesten so aus, als gehörte sie in Fletchers Welt. Banks konnte sich vorstellen, dass sie eine gute Figur bei Cocktailpartys machte, die neueste Hutmode in Ascot spazieren trug oder elegant bei Modenschauen posierte, aber nicht, dass sie mit einem finsteren, gedrungenen, unrasierten Schafbauern in diesem gottverlassenen Teil der Erde lebte.
Als Fletcher zurückkam, zeigte Banks auf das Foto und fragte, wer sie war.
»Meine Frau«, sagte er. »Seit mittlerweile zwei Jahren weilt sie nicht mehr unter uns.« In
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