04 Verhaengnisvolles Schweigen
wo er aussteigen musste.
»Noch was anderes. Kennst du Pubs im englischen Stil in der Stadt? Irgendwelche Lokale, wo es importiertes Bier gibt?«
Gerry lachte. »Da wirst du alle Hände voll zu tun haben. Es gibt Dutzende. Das Madison, das Sticky Wicket, Paupers, das Hop and Grape, Artful Dodger, Jack Russell, Spottet Dick, Feathers, Quigley's und dann die ganze Dukes-Kette. Ich werde dir eine Liste machen. Worum geht es übrigens? Oder ist das streng geheim?«
»Ich suche eine Frau. Ihr Name ist Anne Ralston.«
»Was hat sie angestellt?«
»Nichts, soweit ich weiß.«
»Ungeheuer geheimnisvoll. Du bist genauso wie Onkel Eb.«
»Wie wer?«
»Onkel Eb. Heißt das, du kennst seinen ...?«
Banks schüttelte den Kopf. Gristhorpe hatte nie seinen Vornamen erwähnt, und seine Unterschrift war ein unentzifferbares Gekritzel.
»Vielleicht sollte ich es dir nicht erzählen. So wie ich ihn kenne, wird er sich schön bei mir bedanken.«
»Ich werde es nicht weitererzählen. Pfadfinderehrenwort. Komm schon.«
»Eb ist die Abkürzung von Ebenezer.«
Banks pfiff durch die Zähne. »Kein Wunder, dass er ihn nie verraten hat.«
»Das ist noch nicht alles. Sein Vater war ein großer Verfechter der Arbeiterklasse, besonders der Farmer, deshalb hat er seinen ältesten Sohn Ebenezer Elliott genannt, nach dem Dichter, der die Com Law Rhymes gegen die Korngesetze der Regierung geschrieben hat.«
Banks hatte noch nie von Ebenezer Elliott gehört, nahm sich aber vor, mal im Lexikon nachzuschlagen. Er war immer daran interessiert, neue Dinge zu lesen, zu sehen oder zu hören.
»Ebenezer Elliott Gristhorpe«, wiederholte er. »Verdammte Scheiße.«
»Ich wusste, dass dir der Name gefällt«, sagte Gerry grinsend. »Da ist doch Musik drin, oder? Meiner armen Mutter wurde Mary Wollstonecraft aufgehalst. Sehr progressiver Großvater, die Frauenrechte hat er auch respektiert. Aber mein Vater war einfach nur der gute George Webb, und Gott sei Dank hatte er kein Steckenpferd, das er seinen Kindern anhängen konnte.«
Die Nachrichten im Fernsehen zeigten eine Bande Straßenkinder in Belfast, die bei einem Aufruhr die Polizei mit Steinen und Molotow-Cocktails bewarfen. Es war Nacht, über die ganze Straße züngelten orangefarbene Flammen. Schwarzer Rauch quoll aus brennenden Reifen. Die Welt war wirklich ein globales Dorf, dachte Banks und spürte, wie seine Aufmerksamkeit nachließ. Er wurde schon wieder müde. Er gähnte und stellte die Teetasse auf den niedrigen Tisch.
»Eines würde ich gerne noch wissen«, sagte Gerry. »Woher hast du diese Narbe?«
Banks fuhr mit einem Finger über die weiße Linie neben seinem rechten Auge. »Die? Ich hatte zu wenig Schlaf, bin umgekippt und mit dem Kopf auf eine Tischkante geknallt.«
Gerry lachte. »Verstanden. Ich halte dich auf.«
Banks lächelte. »Ich muss unbedingt wieder ins Bett. Sehe ich dich morgen früh?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Gerry. »Ich habe eine lange Fahrt vor mir und werde in aller Frühe aufbrechen. Kaffee und Zucker sind im Schrank über der Spüle. Milch und so weiter im Kühlschrank. Hier hast du einen Ersatzschlüssel. Fühl dich wie zu Hause.«
Banks schüttelte seine knochige Hand. »Danke«, sagte er. »Das werde ich. Und wenn du mal in England sein solltest ...«
»Dann werde ich bestimmt Onkel Ebenezer besuchen. Mache ich immer. Und wir werden ein oder zwei Gläser im Queen's Arms trinken. Gute Nacht.«
Banks ging zurück ins Schlafzimmer. Eine leichte Brise war aufgekommen und milderte die Hitze ein wenig, aber angenehm war es noch lange nicht. Er ließ sich auf die feuchten Laken fallen. Draußen ratterte in geringer Entfernung ein Streetcar vorbei, das Geräusch erinnerte ihn an aufregende Reisen in große Städte während seiner Kindheit, als es noch Straßenbahnen gab. Kurz vor dem Einschlafen dachte er an das Queen's Arms und sah den Pub an der Ecke der Marktstraße und des gepflasterten Platzes vor sich. Er fühlte sich sehr weit weg von zu Hause. Das Queen's Arms lag in weiter Ferne, und es gab eine Menge zu tun, wenn er Anne Ralston vor Ende der Woche finden wollte.
* 9
Da waren sie auf dem Weg in die Kirche: die lächelnden Frauen mit ihren breitkrempigen Hüten und bunt bedruckten Baumwollkleidern sowie die in eng gebundene Krawatten und steife Westen gezwängten Männer, denen man ihr Unbehagen ansah.
Jeden
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