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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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der Haut. Er zog seine Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz. Selbst der Luftzug durch das offene Fenster war warm und feucht.
      »Du bist leider mitten in einer Hitzewelle gekommen«, erklärte Gerry. »Während der letzten drei Tage hatten wir zwischen dreiunddreißig und sechsunddreißig Grad. Und über neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit.«
      »Wie sind denn dann hundert?«
      »Komisch«, sagte Gerry. »Hundert haben wir nie. Selbst bei Gewitter nicht. Die Sommer können hier echt gemein sein. Was das Klima angeht, ist Toronto eine Stadt der Extreme. Im Winter ist es schweinekalt, und im Sommer ist es unerträglich heiß und feucht, wie du merkst. Die Luftverschmutzung steigt dann auch.«
      »Wie sieht es im Frühling aus?«
      »Gibt es hier nicht. Nur eine Menge Regen und dann die Sonne. Der Herbst ist am besten. September, Oktober. Warme Tage, kühle Abende. Schön.« Er schaute Banks von der Seite an. »Ich schätze, du hast Eiszapfen und Schneemänner erwartet, oder?«
      »Nicht ganz. Aber so eine Hitze bestimmt nicht.«
      »Du solltest die Amis sehen«, sagte Gerry. »Als ich meinen Magister gemacht habe, wohnte ich eine Weile in Windsor und arbeitete im Sommer beim Zoll. Die kommen aus den Vororten von Detroit mitten im Juli mit Skiern auf ihren Autos und Pelzmänteln auf den Rücksitzen über die Grenze. Zum Totlachen. Die Amis wissen einen Scheiß von Kanada.«
      »Viel weiß ich auch nicht gerade«, gab Banks zu.
      »Keine Sorge. Mach Augen und Ohren auf, und alles wird sich zu erkennen geben.« Gerry hatte einen seltsamen Akzent, teils Yorkshire, teils nordamerikanisch, mit einem gemischten Wortschatz aus beiden.
      Sie fuhren ostwärts um eine Bucht herum. Für einen Augenblick dachte Banks, sie wären auf der falschen Straßenseite. Er verkrampfte sich, Adrenalin schoss durch seine Adern. Dann wurde ihm wieder klar, dass er sich in Kanada befand.
      Auf der rechten Seite lag der Ontario-See, eine gekräuselte, blaue Fläche, auf der Millionen Diamanten tanzten. Die dreieckigen Segel der Jachten neigten sich in spitzen Winkeln auf das Wasser. Vom See schien wenigstens eine kühlere Brise herzuwehen, und Banks beneidete die müßigen Reichen, die dort den ganzen Tag segeln konnten.
      »Diese Inseln da drüben«, sagte Gerry und zeigte auf einen flachen, im Dunst liegenden grünen Fleck. »Das sind eigentlich nur langgezogene Sandbänke, aber jeder nennt sie Inseln. Die entfernteren, Ward's und Algonquin, sind sogar bewohnt, aber die Politiker wollen die Bewohner verjagen und einen Hubschrauberflugplatz oder einen Minigolfkurs dort bauen.«
      »Typisch«, sagte Banks und dachte an verschiedene Pläne, Abenteuerspielplätze und Safariparks in den Dales zu errichten.
      »Es gibt eine Menge Ärger deswegen«, sagte Gerry. »Die Inselbewohner haben sogar eine Schutztruppe zusammengestellt, voll ausgerüstet. Sie sind bereit, eine Invasion zurückzuschlagen.«
      »Und was ist passiert?«
      »Das ist immer noch im Gange. Ein paar Intelligenzbolzen wollen das mit langfristigen Pachtverträgen und was weiß ich was regeln, aber da brodelt es immer. Ich glaube, es ist Eifersucht. Auf den Inseln leben hauptsächlich Akademiker und Künstler, und eine Menge Leute, die in der Stadt wohnen, beneiden sie um ihr Leben da draußen. Sie sind der Meinung, dass sich nur die dreckigen Reichen so eine angenehme Umgebung leisten dürften.«
      »Wie denkst du darüber?«
      »Ich beneide niemanden, der da draußen Winter für Winter in einer Holzhütte überlebt. Sieh mal.« Er zeigte nach vorn.
      Vor ihnen schimmerte eine Gruppe Hochhäuser in der Hitze wie ein gedrucktes Hochglanzdiagramm. Einige waren schwarz, andere weiß, und manche reflektierten das tiefe Gold der Sonne. Nahe am See und sie alle überragend, stand ein spitz zulaufender Turm mit knolligem Kopf und langer Nadelspitze obendrauf. Es war ein Phallussymbol von derart olympischen Ausmaßen, dass der Turm der Londoner Post dagegen aussah, als hätte er einen ernsthaften sexuellen Defekt.
      »Der CN Tower«, sagte Gerry. »Torontos ganzer Stolz. Höchstes frei stehendes Gebäude der Welt - zumindest solange die Japaner kein größeres bauen. Siehst du die Fahrstühle, die außen hochgehen?«
      Banks sah sie. Schon bei dem Gedanken, in einem davon zu sein, wurde ihm ganz schwindlig. Bis zu einem gewissen Punkt hatte er keine Höhenangst, aber Lust auf eine Mahlzeit in einem sich drehenden Restaurant am

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