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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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gewollt hatte. Er verlangte nur zwei Dinge von ihr: Arbeit und Sex.
      Sie traute Stephen nicht mehr und nicht weniger als jedem anderen Mann. Beim letzten Mal, als es möglich gewesen wäre, hatte er nichts versucht, und seither war er ihr ausgesprochen kühl begegnet. Aber warum wollte er aus Swainshead weg? Warum war er so nervös? Wollte er vor etwas davonlaufen? Doch wenn er wegging, dachte sie, und wenn er sie wirklich mochte, dann bestand die Möglichkeit, dass er sie mitnahm.
      Sie vermutete, dass es eine Sünde wäre, ihren Ehemann im Stich zu lassen, aber sie hatte mittlerweile so oft darüber nachgedacht, dass sie das Risiko eingehen würde. Bestimmt würde Gott ihr vergeben, wenn sie einen Mann mit solch abscheulichen und triebhaften Gelüsten wie Sam Greenock verließ. Sie könnte es mit wohltätiger Arbeit wiedergutmachen. Sollte Stephen sie tatsächlich mitnehmen, würde sie sich ihm auch körperlich hingeben müssen, das wusste sie. Wenn nicht am Freitag, dann später. Aber es war eine Sünde, bei der sie niemand durchschauen konnte. Sie hatte gelernt, all den Dingen, die die Männer von ihr wollten, zu entsprechen, ohne selbst Genuss an ihnen zu finden. Sie hatte immer gedacht, das sei wegen Sam so, der für Jahre ihr einziger Liebhaber gewesen war. Doch als Bernie sich ihr aufgedrängt und sie weder Energie noch Kraft gehabt hatte, ihn abzuwehren, war ihr klargeworden, dass sie diesen Akt mit keinem Mann würde genießen können. Immerhin war Bernie freundlich und sanft gewesen, als er sie dahin brachte, wo er sie haben wollte, aber es änderte nichts an dem Gefühl, das sie dabei empfunden hatte.
      Sie schaute wieder zu den laternenerleuchteten Gästen. Sam tanzte gerade mit einer attraktiven Brünetten, die wahrscheinlich in der Firma der Colliers arbeitete. Nicholas hatte sich wieder unter die Leute gemischt, redete und lachte beim Brunnen mit einer Gruppe Pendler, die in Swainsdale wohnten, ihr Geld aber anderswo verdienten. Seine Unterlippe war geschwollen, als wäre er von einer Biene gestochen worden. Als er ihren Blick bemerkte, starrte er sie mit solcher Gier und solchem Hass an, dass sie zu zittern begann und ihren Schal enger um die Schultern zog.
     
    In Toronto lockerte Banks das Absuchen englischer Pubs nach Anne Ralston mit Besichtigungen auf. Das Wetter blieb unangenehm heiß und schwül, und ein nächtliches Gewitter, das die Fenster zum Klappern gebracht hatte, schien es nur noch schlimmer gemacht zu haben.
      Den CN Tower ließ Banks links liegen, sah sich dafür im Eaton Centre um, einer riesigen Shopping Mall samt Glaskuppel und einer Schar modellierter kanadischer Wildgänse, die anscheinend hereingeflogen kamen, um am anderen Ende zu landen. Nach Einbruch der Dunkelheit besuchte er die Ecke Yonge und Dundas Street, um im Neonlicht die Nutten und Straßenkinder zu beobachten. Mit einer Fähre fuhr er nach Ward's Island und bewunderte die Skyline von Toronto, bevor er die Uferpromenade auf der Südseite entlangspazierte. In der Sonne schimmerte der Ontario-See wie ein unendlicher Ozean. In Harbourfront genehmigte er sich auf einem Platz direkt am Ufer ein Carlsberg und beobachtete die weißen Segel der Jachten, die so sachte durch den Dunst stachen wie ein Messer durch Sirup.
      An einem Morgen nahm er einen Bus nach Kleinburg, um sich die McMichael-Sammlung anzuschauen. Sandra hätte die Berglandschaften von Lawren Harris und die Kunst der Ureinwohner geliebt, dachte er. In der Sammlung befand sich auch ein Gemälde von Emily Carr, das ihn an Jenny Füller erinnerte. Die befreundete Psychologin half der Polizei in Eastvale manchmal bei den Ermittlungen. In ihrem Wohnzimmer hing ein Druck des Gemäldes, und auf ihre Anregung hin hatte er diese Ausstellung besucht.
      Außerdem musste er unbedingt die Niagarafälle besichtigen. Sie erwiesen sich als noch eindrucksvoller, als er erwartet hatte. In Ölzeug eingepackt fuhr er mit der Maid of the Mist hinaus, und als sie genau vor den Fällen kreuzten, wurde das Boot wie ein Korken hin und her geworfen. Aus einem bestimmten Blickwinkel konnte er diagonal über dem Wasser einen Regenbogen erkennen. Je näher das Boot sich vorwagte, desto mehr füllte die Gischt seine Augen, bis er schließlich nichts mehr sehen konnte. Er konnte nur noch das urzeitliche Tosen des Wassers hören.
      Während der restlichen Zeit besuchte er Pubs. Für jeden erlaubte er sich ungefähr eine Stunde, die er dann an der Bar saß, wo er die

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