04
Anfang meine ich, als du ein Vampir wurdest."
„Oh. Das wird aber eine ganz schön kurze Biografie. Ich habe nicht viel erlebt
- als Vampir, meine ich."
Er rollte mit den Augen. „Betsy, ich mag dich wirklich und du bist sehr süß, aber du erzählst so viel Scheiße."
„Das stimmt nicht! Ich wollte sagen, dass ich erst seit einem Jahr Vampir bin, und Mensch war ich immerhin dr. . - min
69
destens fünfundzwanzig Jahre. Herrje, der Miss-Burnsville-Schönheitswettbewerb war um einiges stressiger als die Vampirpolitik."
„Okay, das Zeug schreibe ich dann später auf, um die Lücken zu füllen", versprach er. Aber ich wusste, dass er log. „Kommen wir zum wirklich Interessanten."
Ich seufzte. „In Ordnung. Das Interessante. Na, ich nehme mal an, interessant wurde es an meinem letzten Tag. Und der war echt scheiße. Tatsächlich war es so: Mein Todestag begann schon schlecht. Und wurde leider auch nicht besser."
69
„.. und dann bist du von dem Dach der Leichenhalle gesprungen und von einem Müllwagen überfahren worden."
„Jon, du musst mir nicht alles noch einmal vorlesen, ich kenne die Geschichte."
Er lachte. „Einfach unglaublich! Ich lese es noch einmal gegen, um sicherzugehen, dass ich alles richtig notiert habe. Das wird mir keiner glauben!"
„Gut." Wir standen in der Eingangshalle und ich schlüpfte in meinen Mantel.
Laura kam die Einfahrt hochgelaufen, denn heute Abend würden sie und ich den kleinen Jon babysitten.
„Das ist ja auch der Sinn der Sache. Du sollst nur so tun, als wäre es eine echte Biografie eines Vampirs."
„Ich weiß, ich weiß, das hast du mir schon tausend Mal gesagt. Lass mal sehen
..."
„Jon, ich muss gehen. Können wir morgen weitermachen?"
„Klar. Ich will nur sichergehen, dass ich bis jetzt alles habe. Du hast versucht, dich im Mississippi zu ertränken, dich durch einen Stromschlag zu töten, dich mit einer Flasche Bleiche zu vergiften, und dann hast du ein Metzgermesser gestohlen und versucht, dich zu erstechen. Ist das alles?"
„Ah . ." Ich hatte nicht vor, näher auf den Vergewaltiger einzugehen, den ich aus Versehen getötet hatte. „So ungefähr."
Laura kam herein, ohne zu klopfen, das hatte ich ihr schon vor Wochen abgewöhnt, und sagte fröhlich wie immer: „Guten Abend, Lieblingsschwester.
Bereit zum Abmarsch?"
'70
„Ja." Bereiter als bereit. Ich hatte keine Lust mehr auf Dies ist ihr Leben. „Laura, kennst du eigentlich Jon? Jon, dies ist meine Schwester Laura."
Wie auf alle Männer übte sie auch auf Jon eine magische Anziehungskraft aus: Er hatte seinen PDA fallen gelassen. Und es nicht einmal bemerkt.
Wahrscheinlich setzte sich gerade Staub in seine empfindlichen kleinen Stromkreise, aber Jon bemerkte es nicht.
Stattdessen starrte er meine Schwester an, und ich konnte es ihm nicht übelnehmen. Neben ihr sah Michelle Pfeiffer aus wie eine alte Schabracke.
Heute Abend trug sie Moon Boots (die immer mal wieder out, dann wieder in waren, aber mir war egal, wie oft sie noch in Mode sein würden, ich hasste sie, schließlich war ich kein blöder Astronaut), schwarze Jeans und einen riesigen, voluminösen dunkelblauen Anorak, in dem sie eigentlich hätte aussehen müssen wie ein Michelin-Männchen - aber da Gott grausam ist, tat sie es nicht.
„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du eine Schwester hast", sagte er und sah Laura tief in ihre sehr blauen Augen.
„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du einen Jon hast." Sie kicherte und mochte ganz offensichtlich ebenfalls, was sie sah.
„Ich habe euch ebenfalls nicht gesagt, dass ich ein offenes Magengeschwür habe. Genug geseiert, Leute. Laura, wir kommen zu spät."
„Nett, dich kennengelernt zu haben", sagte sie und streckte ihm ihre behandschuhte Hand entgegen.
„Find ich auch", nuschelte er, immer noch glotzend. Obwohl er eine Gänsehaut hatte, so groß wie Kirschen, schien er nicht zu bemerken, dass er in der klirrenden Kälte ohne Hemd stand.
„Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder."
„Blablab", sagte er. Zumindest hatte ich das verstanden.
71
„Nun dann .. tschüss!", sagte ich laut - und hoffte, dass sie nun endlich verstanden hätten. Ich schubste Laura aus der Haustür und schlug sie hinter uns zu.
„Oh, der war aber süß!" Schon auf dem Weg zum Auto fing sie an zu schwärmen. Ich stapfte, sie hüpfte. „Woher kennst du ihn? Hat er eine Freundin? Natürlich hat er eine Freundin."
„Laura, nimm eine Schlaftablette."
„Nur, wenn du aufhörst, eine zu sein",
Weitere Kostenlose Bücher