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schlug sie bissig zurück. Ihre Hand flog an ihren perfekt geschwungenen Mund. „Oh, das tut mir leid! Ich bin nur ein bisschen nervös wegen heute Abend."
„Der kleine Jon wird uns schon nicht beißen. Er hat ja noch keine Zähne.
Eventuell spuckt er uns aber doch voll."
„Ich habe schon einmal gesittet", sagte sie vergnügt, „das wäre nicht das erste Mal."
„Meine Dates waren auch nicht alle erfreulich."
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Ant begrüßte uns mit einem „Kommt schnell rein! Da draußen läuft ein Killer rum!". Sie packte mich beim Jackenkragen - das erste Mal seit Jahren, dass sie mich anfasste - und zerrte mich in die Eingangshalle. Laura beeilte sich, hinter mir ins Haus zu schlüpfen, gerade noch rechtzeitig, dass ihr nicht die Tür ins Gesicht geschlagen wurde.
„Das sind keine Killer." Ich knöpfte meinen Mantel auf. „Das sind Pfadfinder.
Die wollen dir nur ein paar Kränze und Einwickelpapier verkaufen."
„Sehr lustig, Betsy." In ihrem giftgrünen Kleid sah sie selber wie ein Kranz aus.
Um die Taille trug sie einen glitzernden, fünf Zentimeter breiten Gürtel. Ihre Fingernägel waren falsch, lang und rot, und an den Ohren baumelten große rote Kreolen. Der Lippenstift war farblich auf die Accessoires abgestimmt und der Lidschatten so blau wie die Karibik. Ihre falschen Wimpern waren so lang, dass ich zuerst dachte, ein paar Tausendfüßler wären dort herausgekrabbelt und dann gestorben.
„Nein, ich meine den Driveway-Killer", insistierte sie und half Laura (die immer sehr hilfsbedürftig auf Menschen wirkt) aus dem Mantel. „Er hat schon wieder zugeschlagen! Hat eine meiner Nachbarinnen direkt vor ihrem Haus erwischt. Zuerst haben wir gedacht, sie hätte nur .. du weißt schon . . ihren Mann verlassen." Ant machte das international gültige Gluck-Gluck-Zeichen mit Daumen und Zeigefinger. „Aber dann fand
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man ihre Leiche auf dem Wal-Mart-Parkplatz in der Lake Street. Lake Street!
Stell dir das mal vor. Wie billig!"
„Ähem", war alles, was Laura herausbrachte. Ant brachte es fertig, selbst ihre eindrucksvolle Freundlichkeit auf die Probe zu stellen.
„Es tut mir leid um deine Nachbarin", sagte ich mit ehrlichem, aber vermutlich überflüssigem Mitgefühl, da Ant offensichtlich der Meinung war, dass der Ort, wo eine Leiche auftauchte, sehr viel wichtiger war, als die Art, wie man sein Leben gelebt hatte.
„Sie dachte an nichts Böses, kam nach Hause - oder ging, ganz genau wissen wir das nicht - und da hat er sie gepackt. Seitdem werde ich verrückt vor Angst!"
„Das kann ich mir kaum vorstellen", sagte ich süß.
„Seid also bitte sehr vorsichtig, Mädchen."
Ich nahm an, dass sie Laura meinte.
„Wenn euch etwas passieren würde .. ich weiß nicht, was ich täte."
Wider besseres Wissen war ich gerührt. „Oh Antonia, ich weiß nicht, was ich sagen soll."
„Wir passen auf', versprach Laura.
Das Babyfon lag auf einem Tischchen neben den Autoschlüsseln und ließ ein dünnes Wehklagen hören. „Bitte, bitte, seid vorsichtig! Niemand anderes will auf Baby Jon aufpassen, solange er so ist."
„Himmel, Antonia. Er hat Koliken, nicht die Tollwut."
„Und ich bin spät dran."
„Wir waren pünktlich, also möchte ich keine Beschwerden von dir hören.
Wann hat er zum letzten Mal gegessen?"
„Die Kinderkrankenschwester hat alles aufgeschrieben, der Zettel liegt auf dem Kühlschrank."
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Ant zog ihren schwarzen Wollmantel an. Ihr Haar saß wie in Beton gegossen -
ein bemerkenswertes Kunststück, wenn man bedenkt, dass es schulterlang war. „Die Party soll um ein Uhr vorbei sein."
„Wo ist Mr. Taylor?", fragte Laura.
„Oh, der .. " Ant machte eine vage Bewegung mit der Hand. „Keine Sorge, wenn ich zu viel trinke, nehme ich mir ein Taxi."
„Gott sei Dank", sagte ich „wenn du zu voll bist, mach einfach ein Schläfchen in der Einfahrt und warte auf Gesellschaft."
Böse schaute sie mich an. „Das soll wohl wieder einmal witzig sein."
Ich funkelte zurück. „Nur ein bisschen witzig." Laura schlug die Bichtung der Küche ein. Ant ging.
Ich stapfte nach oben, hob meinen schreienden Bruder hoch und schmiegte ihn an meine Schulter, während er keuchte und beschloss, dass nun genug gebrüllt worden war. Meine sensiblen Vampirsinne teilten mir mit, dass er keine frische Windel benötigte.
Wir gingen zurück ins Erdgeschoss und trafen dort Laura, die an dem großen Küchentresen stand und eine detaillierte, sorgfältig ausgearbeitete Notiz las, die mit Jennifer Clapp,
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