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kennen uns erst seit April. Gib mir Zeit, deinen Willen zu kennen, verdammich, und du brauchst Zeit, um meinen zu verstehen. Dass du es jetzt noch nicht kannst, beweist gar nichts. Und es tut mir leid, okay? Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe. Ich hatte es vor."
„Ich verstehe, warum du geschwiegen hast", sagte er und seine Distanziertheit machte mir Angst.
„Eric, du bist der, den ich heirate!"
„Ich bin der, dem du mit immer neuen Terminen kommst", sagte er.
„Vielleicht, weil du gemerkt hast, dass ich deiner nicht würdig bin? Und da du so ein weichherziges armes Würstchen
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bist, schaffst du es nicht, mir ins Gesicht zu sagen, dass deine Gefühle nicht mehr dieselben sind."
„Das hat damit gar nichts zu tun!", kreischte ich. „Oh, mein Gott, hast du mich gerade ein armes Würstchen genannt?" Und obendrein noch einen Feigling!
Hatte er meine telepathischen Kräfte als Entschuldigung genommen, die Hochzeit zu vertagen? Männer! „Wie kommst du denn auf so etwas?"
„Ja, du hast sicher recht, es ist nur ein wundersames Zusammentreffen."
„Ich bin nur schlecht organisiert, Schwachkopf. Und das ist nicht meine exklusive Meinung. Siehst du, siehst du? Deswegen habe ich nichts gesagt, weil ich nämlich wusste, dass du ausflippen und sauer sein würdest."
„Ich bin nicht sauer", sagte er kühl. Und er klang auch nicht sauer. Ich konnte seinen Ton nicht deuten, kein Stück. Ich wusste nicht, ob ich zu ihm laufen und ihn in den Arm nehmen oder aus dem Fenster springen und flüchten sollte. Zwischen uns lagen nur zehn Zentimeter, aber sie gähnten wie ein tiefer Abgrund. „Ich bin ... überrascht."
Er war ein Lügner, so war das. Endlich verstand ich, was er fühlte. Einen solchen Ausdruck hatte ich noch nie auf seinem Gesicht gesehen, es war also kein Wunder, dass ich ein bisschen auf dem Schlauch stand: Er hatte Angst.
Nicht um mich. Das hatte ich schon oft gesehen. Nein, das hier war etwas anderes. Er hatte Angst.
Vor mir.
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Liebe Betsy,
ich bin ein neuer Vampir (vor acht Jahren bin ich auf einem Klassenausflug von einem anderen Vampir angegrif en und getötet worden) und ich bin mir nicht sicher, welches Protokol jetzt zu befolgen ist. Unter Nostro lief alles anders, aber ich weiß nicht, wie es jetzt mit Euch läuft. Da gibt es ein Mädchen in meinem Leben, das ich ab und an „treffe". Ich darf sie beißen, aber sie denkt, es gehört zum Spaß dazu.
Manchmal freunde ich mich mit einem anderen Mädchen an und beiße auch sie ein paarmal. Es ist nicht einfach für mich, weil ich jeden Tag Nahrung aufnehmen muss, aber ich wil auch keinen töten. Habt Ihr einen guten Rat für mich?
Der Beißer von Chaska
Lieber Beißer,
nun, du bist schon auf dem richtigen Weg. Wenn du es vermeiden kannst, töte niemanden, keinen einzigen. Sie können nichts dafür, dass sie am Leben sind, genauso wenig wie du etwas dafür kannst, dass du tot bist. Ich versuche, nur schlechte Menschen zu beißen ...du weist schon, jemand, der versucht, mich in eine dunkle Gasse zu zerren, um seine Freunde „zu treffen", oder jemand, der mein Auto aufbricht ... und dergleichen. Ich sehe es als eine Art Strafe für ihre Missetaten. Und ich muss essen.
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Versuch das mal für eine Weile und schau, wie du damit zurechtkommst.
Wenn du jemals diesen einen besonderen Menschen triffst, könntest du ihr dein Geheimnis verraten und vielleicht wird sie dir aushelfen. Außerdem wirst du nicht mehr so oft Nahrung benötigen, wenn du älter wirst. Kopf hoch. Auch das geht vorbei.
„Das klingt ganz gut", sagte Jessica. „Die erste Frage hast du dir ausgedacht, nehme ich an? Weil der Newsletter ja noch nicht erschienen ist?" .Ja."
„Bald wirst du echte Briefe bekommen, also ist es in Ordnung. Aber der hier ist gar nicht so schlecht." Ich fing an zu weinen.
„Du meine Güte!", sagte Jessica, legte die Zeitung aus der Hand und eilte zu mir. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein empfindlicher Redakteur bist. Es ist toll, es ist wirklich toll für das erste Mal. Voll von . . äh . . gutem Rat."
„Sinclair ist aus meinem Zimmer ausgezogen", schluchzte ich.
„Nun ja, Süße, eigentlich ist er ja nie wirklich eingezogen." Ich weinte heftiger.
„Äh, tut mir leid. Habt ihr euch gestritten?" „Ganz schlimm. So schlimm wie nie."
„Schlimmer als damals, als du dachtest, er würde deine Schwester angraben?"
„Viel schlimmer", heulte ich.
„Okay. Ist es etwas, worüber du mit mir reden kannst?" „Nein",
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