040 - Die Faust Gottes
erzählt. [3] So weit er sich erinnerte waren es religiöse Eiferer, die in ihrem Drang, Gutes zu tun, oft das Gegenteil erreichten.
Struppig sah der Mann namens Rage aus, verwegen und wild wie ein Revolvermann zur Zeit der texanisch-mexikanischen Kriege. Er sprach aber wie ein Mann der Kirche - salbungsvoll und als wäre er für das Wohl der ganzen Welt verantwortlich.
»Und ihr -«, er deutete mit gespreizten Fingern auf Matt und Aruula, »- ihr müsst Günstlinge des HERRN sein. Warum sonst hätte ER euch zu mir geschickt, auf dass ich euch vor den Dämonen rette?«
»Dämonen?« Matt hatte sich einigermaßen gefangen. Er rieb sich den eiskalten Arm. Der Schmerz wurde zunehmend unerträglich.
»Dämonen, jawohl!« Der struppige Reverend nickte grimmig. »Abgesandte der Hölle. Die ganze Erde ist voll von ihnen.« Er griff hinter sich und zog sich den Schlapphut über den Kopf.
»Aha…«
»Kommt, ich bringe euch weg von diesem Schlachtfeld.« Rage zog die Marienstatue aus dem Beiwagen. »Setz dich hier hinein, Weib.« Aruula stieg in den Beiwagen. Matt merkte, dass der fromme Streiter ihr kaum in die Augen sah. Auch den Blick auf ihren dick eingemummten Körper vermied er. Als fürchtete er sich vor ihrer Schönheit. »Du darfst die Heiige Jungfrau festhalten.« Er stellte ihr die Gummipuppe auf den Schoß.
»Und du -«, er deutete auf Matt, »- setzt dich hinter mich auf den Sattel. Mach schon.« Matt schwang sich vor das Fass. Vor Schmerz stöhnte er auf und hielt sich den Arm.
Der Rev'rend trat zu ihm und untersuchte seinen Arm. »Kalt und steif«, sagte er. »Der Eishauch der Hölle hat dich berührt. Siehst du, dass es Dämonen sind? Ihr Höllenatem kann einen menschlichen Körper in Eisesstarre versetzen. Doch Gott war dir gnädig, mein Sohn, die Sache ist halb so wild. Mach den Arm frei.«
Aus einer der vielen Taschen und Fächern rechts und links des Sattels seiner Maschine kramte Rage ein Döschen hervor, während Matt das Oberteil des Pilotenkombis abstreifte. Der Mann in Schwarz schraubte das Döschen auf und trug gelbliche, scharf riechende Salbe auf Matts Arm auf. .
Bald spürte Matt ein Brennen auf der Haut. »Was ist da drin?« Er knöpfte den Kombi wieder zu.
»Weihwasser«, sagte der Rev'rend ungerührt. Er massierte die Salbe ein. Danach stieg er in den Sattel und drehte den Benzinhahn auf. Der Motor brüllte, der Sattel vibrierte unter Matts Gesäß, und hinter ihm wackelte das Holzfass. Aruula drehte sich ihm zu. Auf ihrer Stirn türmten sich Sorgenfalten.
»Mit welcher Art Treibstoff läuft der Motor?!«, rief Matt.
»Mit Weihwasser!« Der fromme Revolvermann schrie, um den Motorenlärm zu übertönen. Die Maschine fuhr an. Grashalme peitschten Matts Beine. Er hielt sich am Rev'rend fest. Sein fettiges Haar flatterte ihm ins Gesicht. Vor seinen Augen zog sich der Patronengurt des Mannes quer über dessen Rücken. Er war mit fingerlangen Bolzen gefüllt, gläsern und in Metall gefasst. Sie enthielten eine farblose und klare Flüssigkeit.
Die Maschine pflügte durchs Gras und ratterte nach Westen in die Ebene hinein. Rechts unter Matt kauerte Aruula im Beiwagen. Das Schwert hatte sie in den Fußraum geschoben. Mit der Linken umklammerte den Griffbügel des Wagens, ihre Rechte hielt die aufblasbare Marienstatue umschlungen. Es sah wirklich drollig aus. Doch Matt war irgendwie nicht zum Lachen zumute. Nicht nur, weil sein Arm brannte, sondern weil ihm der Schock über den Echsenangriff noch in allen Knochen saß. Und weil das plötzliche Auftauchen dieses frommen Rockers ihn noch immer an seinen eigenen Sinnen zweifeln ließ.
»Mit was hast du auf sie geschossen?«, rief er dem Motorradmann ins Ohr. »Ich meine die Bolzen - was ist da drin?«
»Weihwasser!«, schrie Rev'rend Rage über die Schulter nach hinten…
***
London, 2092 n.Chr. (80 n.CF.)
Düster der Himmel über den Ruinen. Wieder einer dieser Tage, an denen es gar nicht hell werden wollte. Die Luft war feucht und kalt, glitzernder Frost überzog Geröll, abgestorbene Disteln, Autowracks und Brennnesseln. Auch auf den zerklüfteten Fensterbänken, Türschwellen und Kronen der Ruinenfassaden sah der Reverend den Raureif. Wahrscheinlich würde es bald wieder schneien.
Pains Maschine rollte durch die Trümmerlandschaft. Er hielt sich am Sattel fest. Seine Lippen bewegten sich in einem stummen Gebet. Therese steuerte das Motorrad an Kolonnen verkohlter PKW vorbei. Hinter halb blinden Windschutzscheiben sah man, die
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