040 - Die Monster aus der Geisterstadt
zurückweichen.
»Bleib hier, du Narr!« befahl Pesce. »Willst du uns verraten?
Jetzt sind wir schon so weit gegangen, nun führen wir unser Vorhaben auch zu Ende.«
Geregaad versuchte, den beiden blutigen Gestalten zu Pesces Füßen auszuweichen. Ihm wurde bei ihrem Anblick fast übel.
»Das ist deine Tat«, würgte er hervor. »Ich habe damit nichts zu tun.«
»Du hast gesehen, daß es Notwehr war«, entgegnete Pesce. Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber wozu sich herausreden? Was bedeutet der Tod eines solchen Wilden denn schon? Wenn es mit rechten Dingen zuginge, dürften sie gar nicht mehr am Leben sein. Sie müßten schon seit Jahrhunderten tot sein. Verstehst du?«
Geregaad schüttelte den Kopf. Er verstand nicht und wollte auch nicht verstehen; er wollte nur fort von hier.
Aber Pesce hielt ihn zurück. »Gebrauche doch mal deinen Verstand, Jörn! Die Inkas sind mitsamt ihrer Stadt aus der Vergangenheit in unsere Zeit gekommen. Einfach so.« Er schnippte mit den Fingern. »Vor einigen Tagen waren sie noch im sechzehnten Jahrhundert – und plötzlich sind sie hier. Frage mich nicht, wie das vor sich gegangen ist. Ich weiß nur, daß dies keine normalen Menschen sein können. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, wären sie schon seit Jahrhunderten tot. Und wenn sie leben – dann nicht in unserem Sinn. Ihr Tod kann nicht mit herkömmlichen Maßstäben gemessen werden. Es sind Geister – Dämonen, Schattenwesen, oder wie immer man sie bezeichnen will. Sie haben in unserer Zeit keine Existenzberechtigung.«
Irgendwie kamen Pesces Worte Geregaad recht vernünftig vor.
Pesce ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken. »Wir müssen Machu Picchu wecken, bevor jemand nachschauen kommt.«
»Aber wie willst du das schaffen, wo es nicht einmal Hunter gelungen ist?«
»Hunter! Hunter!« rief Pesce ärgerlich. »Er hat sie eben mit Samthandschuhen angefaßt.«
Geregaad ging auf die andere Seite des Opfersteins, um die beiden Leichen nicht sehen zu müssen. Danach war ihm gleich viel wohler. Er hatte immer noch Skrupel, aber er konnte nicht mehr zurück. Er hatte selbst Schuld auf sich geladen.
»Heb ihren Kopf hoch!« verlangte Pesce. »Nicht so sanft! Pack richtig zu! Schmerz weckt den Geist!«
Geregaad zögerte zuerst, dann überwand er sich, griff in das dichte Haar des Inka-Mädchens und zerrte ihren Kopf hoch. Eine Gänsehaut überlief ihn. Es kam ihm so vor, als wären die Haare zwischen seinen Fingern Eiskristalle.
»So ist es richtig!« lobte Pesce. »Nur nicht zimperlich sein. Hier geht es um ein Milliardenvermögen.« Er holte die Schnapsflasche hervor, die er ständig mit sich herumtrug. »Öffne ihr den Mund!«
Als Geregaad dem Mädchen gewaltsam den Unterkiefer heruntergedrückt hatte, hielt Pesce ihr den Flaschenhals in den Mund und flößte ihr den Rum ein. Aus ihrer Kehle kamen gurgelnde Geräusche. Pesce setzte die Flasche erst ab, als sie bis zum letzten Tropfen geleert war.
Die Inka-Prinzessin rührte sich jedoch nicht.
Pesce schleuderte die Flasche weg, holte blitzschnell mit der Hand aus und schlug dem Mädchen einige Male ins Gesicht.
»Du Idiot schlägst ihr noch sämtliche Zähne ein«, sagte Geregaad und versuchte, den Rasenden zurückzuhalten.
Aber Pesce war nicht zu bremsen. Er hob das Mädchen hoch, packte es an den Schultern und schüttelte es wie ein Wahnsinniger. Dann faßte er in ihre Haare, zerrte sie vom Opferstein, stellte sie auf die Beine und schleuderte sie gegen die Wand.
Sie prallte steif wie eine Puppe dagegen, völlig geräuschlos, dann fiel sie wieder in Pesces Arme zurück, als wäre sie aus Gummi. Plötzlich war ein Rumoren zu hören, ein Geräusch, das aus den tiefsten Tiefen zu kommen schien und den Sonnentempel erbeben ließ.
»Jetzt ist es aber genug!« verlangte Geregaad. »Du bringst das Mädchen eher um, als daß du sie weckst.«
Pesce schien zur Besinnung zu kommen. Er nickte und wischte sich die blutig geschlagenen Handknöchel am Hemd ab. »Du hast recht«, keuchte er. »Aber ich gebe nicht auf. Hunter soll nicht zum Zug kommen. Wir bringen das Mädchen von hier fort – in ein sicheres Versteck – und nehmen sie uns später gründlicher vor.«
Pesce lud Geregaad den steifen Körper Machu Picchus auf die Schultern und blickte ins Freie. Als er niemanden sah, gab er Geregaad einen Wink und rannte hinaus. Der Däne folgte ihm keuchend. Ihm war so kalt, daß seine Zähne aufeinanderklapperten. Es war, als würde er einen Eisberg
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