040 - Ein Monster namens Charlie
aufzuspringen, da erfaßte mich die Druckwelle. Es hob mich kurz hoch, ich verlor den Bodenkontakt und wurde mit ungeheurer Wucht gegen die Hausmauer geschleudert.
Aus einem roten, heißen Glutball flogen mir Blechteile entgegen.
Ich riß automatisch die Arme hoch, um mich zu schützen. Verdammt harte Schläge trafen schmerzhaft meinen Körper.
Ich krümmte mich, ohne es zu merken. Irgend etwas hieb mir die Arme nach unten, und dann landete so etwas wie eine heiße Blechfaust auf meiner Schädeldecke.
War es richtig gewesen, den Flammenwerfer einzusetzen?
Ich hatte damit zwar eine Killerameise erledigt, aber erledigte ich mich damit auf Umwegen nicht auch selbst? Meine Knie wurden weich. Ich wurde blind, taub und stumm.
Vielleicht nahm ich noch den Schrei von Menschen mit ins Vergessen – ich weiß es nicht mehr.
Vicky… Ihr galt mein allerletzter Gedanke.
Dann war es vorbei.
***
Es war ganz klar, daß ich mit heftigen Kopfschmerzen erwachte.
Mann, war das ein dumpfes Pochen, Bohren und Ziehen. Jemand schien mein Gehirn freigelegt zu haben, und ich hatte das Gefühl, daß er es nun mit Sandpapier bearbeitete.
Ich stöhnte, in der Hoffnung, daß er dann damit aufhörte.
Jemand beugte sich über mich. Ich sah – verschwommen – ein zerknautschtes Gesicht… männlich, weiß, vielleicht fünfzig Jahre alt. Aus dem Nasenloch zog der Mann soeben einen Inhalationsstift.
»Wie fühlen Sie sich, Mr. Ballard?« fragte er.
»Wenn ich sagte schlecht, wäre selbst das noch geprotzt«, antwortete ich wahrheitsgetreu.
Als das Gesicht lächelte, bekam es noch mehr Falten. »Ich bin Captain Jack Davenport. Sie haben die Warnung der Ameise ignoriert.«
Ich sah ihn überrascht an. »Woher wissen Sie von dieser Nachricht, Captain?«
Er lächelte wieder. »Wir haben Wyatt Fondas Telefon angezapft und schneiden jeden Anruf mit.«
Der Kerl mit dem Sandpapier wurde allmählich müde. Dafür dankte ich dem Himmel. Die Kopfschmerzen ließen langsam nach.
Ich konnte wieder einigermaßen klar denken und bemerkte, daß ich nicht mehr dort lag, wo mich die heiße Blechfaust niedergestreckt hatte.
Nüchterne Klarheit umgab mich.
Krankenhaus, dachte ich.
Schon wieder. Erst vor kurzem war ich in einem Londoner Hospital gewesen. Allerdings nicht als Patient, so wie jetzt. Ich griff nach meinem Kopf und erwartete, mit den Fingern einen Verband zu ertasten, spürte jedoch nur mein Haar.
»Die Ärzte meinen, Ihr Schädel müsse aus Eisen sein«, sagte Captain Davenport. »Nicht die geringste Schramme haben Sie abbekommen. Nur eine ausgewachsene Beule. In den nächsten Tagen werden Sie wohl keinen Hut aufsetzen können.«
»Ich trage sowieso nicht gern Hüte«, brummte ich und setzte mich vorsichtig auf.
»Was haben Sie vor, Mr. Ballard?«
»Dumme Frage, ich gehe wieder an die Arbeit.«
»Das werden die Ärzte nicht so gern sehen.«
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen.«
»Oh, man wird Sie nicht fortlassen.«
»Es wird verdammt schwierig sein, mich hier festzuhalten«, sagte ich mit finsterer Miene, auf dem Bettrand sitzend. Daß ich noch nicht voll da war, bewies die Tatsache, daß ich noch kein einziges Mal an Vicky Bonney gedacht hatte.
Jetzt tat ich es, und ich mußte dabei so bleich geworden sein, daß Captain Davenport erschrocken fragte: »Wollen Sie sich nicht noch mal hinlegen, Mr. Ballard? Soll ich einen Arzt rufen?«
»Ich brauche keinen Arzt, Captain.«
»Wenn Sie sich sehen könnten, wären Sie anderer Meinung.«
»Vicky! Wo ist meine Freundin Vicky Bonney?«
»Beruhigen Sie sich um Himmels willen. In Ihrem Zustand ist es nicht gut, wenn man sich aufregt. Das kann zu einem Rückfall führen.«
»Wo ist Vicky Bonney, Captain? Befindet sie sich auch in diesem Krankenhaus? Wie geht es ihr? Die Explosion… Vicky hat sie doch überlebt, oder? Oder?«
Jack Davenport rammte sich den Inhalationsstift in die Nase und roch daran. Während er dies tat, kam kein Wort über seine Lippen, an denen mein Blick hing.
Erst nachdem er den Stift herausgezogen hatte, sagte er: »Ihre Freundin ist nicht hier, Mr. Ballard.«
Nicht hier… Das konnte bedeuten, daß es Vicky gutging. Es konnte aber auch heißen, daß es keinen Sinn mehr gehabt hatte, sie nach der Explosion ins Hospital zu bringen, weil … weil … O Gott…
Leichenhaus?
Mir schnürte es die Kehle zu. Lebte Vicky Bonney nicht mehr?
Hatte ich dieses Mädchen, an dem ich mehr hing als an meinem Leben, verloren? Wenn sie okay gewesen wäre, hätte
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