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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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einem Marcus habe ich in den fünfzig Jahren, die ich auf dem Landgut der Harrimans gelebt habe, nie etwas gehört.“
    „Nun ja, er ist ein entfernter Verwandter, der einzige Verwandte, den die Nachlassverwalter offenbar auftreiben konnten. Aber ich bin sicher, es hat alles seine Richtigkeit.“
    Nanny schüttelte den Kopf. „Ich wusste gar nicht, dass es eine Seitenlinie der Familie gibt.“
    „Immerhin hat er die berühmte Harriman-Nase vorzuweisen. Und wenn nicht an ihn, so würde der Besitz an einen anderen männlichen Nachkommen fallen. Wenigstens scheint er bereit zu sein, meinen Erbanspruch anzuerkennen.“
    „Was Sie nicht sagen!“ Nanny schnaubte verächtlich. „Jedenfalls wird bei seinem nächsten Besuch Jacobs am Bett Ihrer Mutter wachen. Ich will ihm nämlich ein paar Fragen stellen.“
    Die Vorstellung, wie die brave Nanny Maude den neuen Lord Tolliver eines strengen Verhörs unterzog, war erheiternd genug, um die dunkle Wolke zu vertreiben, die sich über Elinors Gemüt gelegt hatte. Jedenfalls war dieser Cousin bei der Familie vorstellig geworden, nun wollte sie sich in Geduld üben.
    Sie setzte sich wieder an den warmen Ofen und nahm das Buch zur Hand. Eine Sammlung belehrender Predigten eines fanatischen Mönches, der viele Jahre in lateinamerikanischen Ländern seiner Missionarstätigkeit nachgegangen war und sich mit Themen wie Theologie, Philosophie und anderen Geisteswissenschaften befasste, aber auch die Unsitten öffentlicher Badehäuser, die Todsünde der Völlerei und den laschen Umgang mit Frauen anprangerte. Der fromme Bruder war ein glühender Verfechter der Ansicht, Frauen seien eine unerfreuliche Notwendigkeit zur Fortpflanzung, die, sobald sie ihre Pflichten erfüllt hatten, in ein Kloster gesteckt werden sollten, um dort mit anderen Nonnen für das Seelenheil der Christenheit zu beten.
    Rohan hatte ihr dieses Buch gewiss in der Absicht geschickt, sie in Rage zu bringen.
    Da sie alle anderen Bücher bereits gelesen hatte und ihr keine erbaulichere Lektüre zur Verfügung stand, las sie auch dieses unsägliche Buch.
    Und verfluchte dabei ausgiebig den Spender und versuchte, Francis, Viscount Rohan, und seinen Satanischen Bund aus ihren Gedanken zu verbannen.

14. KAPITEL
    Letztlich verzichtete Lydia dann doch darauf, Kutteln zu kaufen. Nanny war beileibe keine begnadete Köchin, und Lydia hätte die Armeleutemahlzeit zubereiten müssen, die keineswegs zu ihren Lieblingsgerichten gehörte. Also kaufte sie stattdessen Eier, Lauch, Käse und frisches Stangenbrot. Wenn Nanny Maude kein schmackhaftes Essen auf den Tisch bringen würde, wollte Lydia einen Auflauf daraus zubereiten.
    Sofern sie es schaffte, ihre Melancholie abzuschütteln, wobei Etienne ihr allerdings keine große Hilfe war. Nach der verwirrenden Begegnung mit dem Mann, zu dem sie sich törichterweise hingezogen fühlte, war sie gezwungen, sich drei Stunden lang Etiennes ermüdendes Geschwätz anzuhören. Er kannte lediglich zwei Gesprächsthemen: erstens, seine hervorragende Qualifikationen als Doktor der Medizin in der Behandlung seiner Patienten, deren Krankheiten er in ekelerregenden Details zu schildern wusste, und zweitens, die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die ihm durch seinen Cousin widerfuhr.
    Es bedurfte nur weniger Aufmunterungen, um seinen Redefluss anzuregen, und Lydia gab vor, seinen endlosen Tiraden aufmerksam zu lauschen, während ihre Gedanken in völlig andere Sphären abschweiften. Bis ein bestimmtes Wort ihre Aufmerksamkeit weckte.
    „Jakobiter?“, wiederholte sie stirnrunzelnd.
    „Ach ja, ich vergaß, wie jung Sie sind“, erklärte Etienne. „Damals waren Sie noch nicht geboren. Die uneinsichtigen Engländer konnten sich nicht darüber einigen, welcher König den Thron besteigen sollte, und Vertreter des Hochadels wollten einen Katholiken, einen schottischen Prinzen, mit der Königswürde betrauen.“
    „Ich weiß, wer Bonnie Prince Charlie ist, Etienne“, korrigierte Lydia ihn spitz. „Aber was hat der Kronprinz mit Lord Rohan zu tun?“
    Ein höhnischer Zug flog über Etiennes Gesicht. „Nach englischem Gesetz ist Rohan gar kein Lord, sondern ein Landesverräter. Er und seine Familie kämpften für den schottischen Thronanwärter, und als die Rebellion der Jakobiter niedergeschlagen war, wurden sein Vater und sein Bruder hingerichtet, er selbst wurde enteignet und in die Verbannung geschickt. Sollte er es je wagen, wieder in England einzureisen, wird er als Hochverräter zum Tode

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