0400 - Ich und die grauen Hyänen
Ich hätte vielversprechende Anlagen, hat er mir damals gesagt. Aber dann hatte ich den Unfall, und da war es aus mit dem Malen.« Der Uniformierte legte seine Rechte auf den Tisch und zeigte, daß die Finger steif waren. »Das war natürlich ein schwerer Schlag für mich, das können Sie mir glauben.«
»Und jetzt sind Sie in diesem Bilderschuppen«, stellte der Blonde fest und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas, das gerade gebracht worden war.
»Zum Wohlsein, Mr. Fisher.« Shilling hob prostend sein Glas und probierte das Getränk vorsichtig. »Ich bin seit zehn Jahren dort. Es ist ein angenehmer Dienst, wissen Sie. Und vor allem komme ich wieder mit Kunst in Berührung. Sie sind wohl auch ein großer Kunstfreund, nicht? Eigentlich eine dumme Frage, denn sonst wären Sie ja wohl nicht in die Galerie gekommen.«
Fisher leerte sein Glas und nickte heftig.
»Sicher bin ich ein Kunstfreund. Aber wenn ich ehrlich sein soll, viel verstehe ich nicht von den Schinken.«
»Wie bitte?«
Shilling hatte durch den Kellner, der für ihn das Essen brachte, nicht alles mitbekommen.
»Von manchen Bildern verstehe ich nicht viel«, wiederholte Chas Fisher. »Wenn ich nicht weiß, was sie darstellen sollen, dann kann ich nicht viel damit anfangen.«
»Das habe ich mir gedacht, junger Freund. Ich wußte sofort, daß Sie nicht zu diesen modernen Burschen gehören, die vor jedem Stück verrückt beschmierter Leinwand in Verzückung ausbrechen. So einer sind Sie nicht. Ich habe Sie beobachtet.«
»Was… was haben Sie?« fragte der Blonde erschrocken und musterte sein Gegenüber mißtrauisch.
»Ich habe Sie beobachtet. Ich habe genau gesehen, wieviel Interesse Sie bei Ihrem Rundgang zeigten. Und dann hat es Ihnen besonders dieser Rubens angetan.«
Fisher nickte, und dann gaben sie sich eine Weile dem Essen hin. Shilling redete fast ununterbrochen über wahre Kunst und hielt einen langen Vortrag über die verrückte Pop-Art, mit der einige Leute ihr Geld verdienten.
»Das ist wirklich interessant, was Sie da erzählen, Mr. Shilling«, sagte Fisher, und sein Interesse schien echt zu sein. »Erzählen Sie weiter von den Gemälden und der Kunst.«
Der Uniformierte legte das Besteck auf den Teller und machte geschmeichelt eine leichte Verbeugung.
»Zu gern würde ich das tun, Mr. Fisher. Wirklich. Aber leider habe ich keine Zeit mehr. Ich muß pünktlich um zwei zurück sein. Das ist die ruhige Zeit, wissen Sie, da gehen die Verkäufer alle zu Tisch. Und auch die anderen Wächter. Da muß ich unbedingt zurück sein, weil ich der einzige bin, der dann in der Galerie ist.«
Fishers Interesse schien noch größer zu werden. Der lauernde Ausdruck in seinem Gesicht schien dem biederen Mr. Shilling nicht aufzufallen.
»Sie sind also ab zwei allein in dem Laden?« vergewisserte sich Chas Fisher noch einmal und zwang sich, seine Stimme unbeteiligt klingen zu lassen.
Mr. Shilling nickte. »Ja. Die anderen sind dann beim Dinner.«
»Sind Sie lange allein in der Galerie?« fragte Fisher und schob den geleerten Teller von sich.
Shilling, der nach dem Kellner Ausschau gehalten hatte, warf seinem Gegenüber einen mißtrauischen Blick zu.
»Ich meine, Sie könnten mich vielleicht jetzt mitnehmen und mir die Bilder und alles erklären«, sagte Fisher hastig. »Sie haben doch viel mehr Ahnung von dem Kram als ich. Wollte mich schon immer mal mit einem richtigen Fachmann unterhalten, und da sind Sie doch gerade der richtige. Das heißt natürlich, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Das Gesicht Mr. Shillings hellte sich wieder auf. »Auf keinen Fall macht mir das etwas aus, Mr. Fisher. Wir haben Zeit genug. Vor drei ist selten jemand zurück. Und selbst wenn jemand kommen sollte, dann kann ich Sie doch ruhig rundführen. Das nimmt mir kein Mensch übel.«
Der Kellner trat an den Tisch und kassierte. Shilling stand auf. Er hatte eine Mütze an dem Garderobenständer hängen, die vom gleichen Stoff war wie seine Uniform. Er trug sie unter dem Arm wie ein General aus dem 18. Jahrhundert seinen Dreispitz.
Auch Fisher erhob sich, und dann gingen die beiden Männer einträchtig zum Ausgang des Lokals, das sich in der letzten Viertelstunde merklich gefüllt hatte.
***
Meine Augen hatten sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt. Ich machte eine leichte Bewegung.
Sofort wurde der Druck in meinem Kreuz stärker.
»Keine Bewegung, Mann! Mein Zeigefinger ist nervös. Wenn der mal zuckt, bist du ’ne Leiche!«
»Machen Sie keinen Blödsinn«,
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