0401 - Dem Henker ins Handwerk gepfuscht
hoch. Das werde ich den Burschen heimzahlen, dachte ich.
Wir betraten die Steinmole. Vor uns brummten wieder Automotoren.
Am Ende des langen Dammes erkannte ich ein großes schwarzes Schiff.
Ronda drehte sich schnell herum. »Das ist eure neue Heimat«, erklärte sie kalt.
Die ganze Zeit über hatte ich mir schon Gedanken darüber gemacht, warum die Chinesin den kleinen Revolver in meine Manteltasche praktiziert hatte. Sie musste doch eine enge Vertraute von Samedi, eine Art Vorzimmerdame und Sekretärin sein. Darum war es unerklärlich, was sie getan hatte. Ich fand, dass es für ihr Tun zwei Auslegemöglichkeiten gab. Entweder sollten wir die Waffe dazu benutzen, um uns freizukämpfen oder um damit Selbstmord zu begehen.
Auf jeden Fall hatte sie uns zu verstehen gegeben, dass wir ihr nicht gleichgültig waren und dass sie auf unserer Seite zu stehen schien.
Wir erreichten das Schiff.
Es handelte sich um einen alten Truppentransporter. Das Heck lag an der Mole. Durch eine riesige aufgeschlagene Klappe konnten auch die schwersten Straßenkreuzer in den Bauch des Schiffes rollen.
Als wir auf der mit Querlatten versehenen Klappe hinauf gingen, kam uns der kleine Duke entgegen. »Ihr lebt ja immer noch!«, rief er. Seine Wut auf uns hatte sich noch nicht gelegt.
»Lass sie in Ruhe«, wehrte ihn Potter ab, als der Kleine mit geballten Fäusten auf uns zuging und uns schlagen wollte.
Da kam es zum zweiten leisen Knall.
Ronda bemerkte den Zwischenfall zwischen dem kleinen Duke und dem Haitianer. Sie haschte auf mich zu. »Keine Angst, Agent Cotton«, lispelte sie schnell und leise. »Achten Sie auf mich. Ich bin auf Ihrer Seite.« Dann rief sie laut: »Hau ab, Duke. Vorwärts, G-men. Potter, treib sie an.«
Als wir im Schiffsrumpf eintrafen, kamen Tomaten-Jo und der Mechaniker aus der schwarzen Höhle. Im Hintergrund des riesigen Laderaumes schimmerte der Chrom von Autos. Die drei Gangster gingen wieder zurück ins Klubhaus, um eine neue Sendung zu holen.
Potter trieb uns an den Autos vorbei und drückte wieder die Taschenlampe an, da es in dem Bauch des Transportschiffes dunkel war. Er leuchtete auf eine eiserne Treppe, die nach oben verlief. Im Schein des Lichts konnten wir eine beträchtliche Anzahl von Autos sehen, die bereits auf das Schiff verladen waren, darüber gab es bei mir keinen Zweifel.
»Wohin bringt ihr die Ware?«, fragte ich Potter.
»Was geht das dich an!«, knurrte er. »Mach, dass du die Treppe hochkommst.«
Ronda befand sich bereits einige Yards über uns. Wir hörten das Klappern ihrer Schuhe.
Wir gingen hinter ihr her. Ich wusste nicht, ob Phil das mitbekommen hatte, was sich zwischen mir und der Chinesin abgespielt hatte. Deshalb wartete ich auf einen günstigen Augenblick, um ihm ein paar Worte zuflüstern zu können. Doch dazu kam es jetzt nicht mehr. Potter samt Pistole blieb uns zu dicht im Kreuz.
Wir stiegen durch eine viereckige Öffnung an Deck des großen Schiffes. Ronda wartete bereits auf uns. Doch sie nahm keinen Kontakt mehr mit mir auf.
Von der Besatzung des Schiffes war kein Mensch zu sehen. Nur hinter der Glasscheibe auf der Kommandobrücke tauchte für Sekunden verschwommen das weiße Gesicht eines Mannes auf, das sofort wieder verschwand.
Unter uns brummten Automotoren.
Mir gelang es, einen kurzen Blick über die Reling zur Mole hin zu werfen. Drei schwarze Schatten krochen heran, dann verschwanden sie wieder im Rumpf des Schiffes.
Ronda zog eine Tür auf.
Wir betraten einen Gang, der nur schwach durch eine Lampe beleuchtet war. Es ging mehrere Niedergänge hinab. Wir gelangten in einen Gang, an dessen Wänden Röhren und Kabel entlangliefen. Die Luft roch nach Öl und Diesel. Wir befanden uns in der Nähe der Maschinenräume.
Am Ende des Ganges tauchte eine braunhäutige Gestalt auf. Der Mann musterte uns schnell, um sofort wieder zu verschwinden.
Ronda führte uns in eine dunkle Kabine. Sie war eng, warm und mit Gerümpel vollgestopft. Bullaugen waren im Schein der Taschenlampen nicht zu erkennen.
Die Chinesin und Potter zogen sich schnell zurück, schlugen die Tür zu und schlossen sie ab.
Phil und ich standen im Dunkeln.
***
Die Schritte entfernten sich. Von weit her vernahmen wir das Brummen der Wagenmotoren. Ich ließ mich auf den Boden nieder und gab Phil ein Zeichen, es ebenfalls zu tun.
Ich wartete noch eine ganze Weile, dann erst riskierte ich, Phil von dem Vorhaben der Chinesin zu berichten.
»Warum hat sie das getan?«, flüsterte Phil
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