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0406 - Finale in der Knochengrube

0406 - Finale in der Knochengrube

Titel: 0406 - Finale in der Knochengrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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in Richtung Strom, den sie nie sah, weil er einfach zu weit weg war.
    Aber dort, wo er träge durch das breite Bett floss, bildeten sich die ersten Schleier, die als hellgraue Wand parallel zum Strom liefen und sich verteilten, wobei der Wind sie über das flache Moor drückte, als sollten sie dort das Unheil, das in der Tiefe lauerte, verbergen.
    Das Moor schwieg und redete trotzdem.
    Oft war es nur das Platzen einer Gasblase, das dem Mädchen das Gefühl gab, doch nicht so allein zu sein. Lara lauschte auch auf das Quaken der dicken Frösche und sah, wenn es dunkel wurde, das phosphoreszierende Flimmern über der Fläche, als wollten die Geister der unter dem Moor liegenden Toten ihre Ankunft melden.
    Opfer hatte sich der Sumpf genug geholt. Viele hatten ihn und seine Gefährlichkeit unterschätzt, waren hineingegangen und nicht wieder zurückgekehrt.
    Lara kannte die Stellen, die sie gehen musste, und sie erreichte sicher ihre Hütte.
    Es würde nicht mehr lange dauern, dann kam die Dunkelheit. Sie war so schwarz, so absolut, denn nirgendwo in der Nähe brannten Lichter. Diese Düsternis der Nacht lag im Herbst und im Winter lange Stunden über dem Land.
    Aus dem Tonkrug nahm sie einen Schluck Wasser. Es gab in der Nähe eine Quelle, dort hatte sie es sich geholt. Um etwas sehen zu können, steckte sie den Docht der alten Öllampe an, die sie mit in ihre Hütte genommen hatte.
    Unter ihrer dicken Jacke hatte sie das Papier verborgen gehabt, das Erbe ihrer Mutter, die letzte Nachricht. Wieder einmal faltete sie das Blatt auseinander, hielt es so, dass Licht drauffiel, und begann zu lesen. Ihre Mutter hatte bereits unter dem Eindruck der Flucht gestanden, als sie die Zeilen schrieb, aber sie hatte immer wieder auf den Sumpf hingewiesen, wo sich in Rasputins Leben ein entscheidendes Stück Schicksal abgespielt hatte.
    Die Aufforderungen, die sie las, ließen sich schon mit Warnungen vergleichen.
    »Bleib da, wenn du mehr wissen willst. Lass den Sumpf nie aus den Augen, Kind. Führe das fort, was ich begonnen habe. Darum kann ich dich nur bitten.«
    Sie ließ den Brief sinken. In ihren dunklen Augen glitzerte es feucht.
    Das Gesicht war noch blasser geworden. Es lag wie ein bleicher Schatten zwischen den dunklen Haaren. Der Mund bewegte sich ebenfalls, schwieg aber. Es waren ihre Gedanken, die in den Bewegungen der Lippen endeten.
    Und noch ein wichtiges Wort hatte sie in der letzten Nachricht ihrer Mutter gelesen.
    Knochengrube.
    Es musste einfach ungemein wichtig sein, denn es war von ihrer Mutter zweimal unterstrichen worden.
    Natürlich hatte die Knochengrube etwas mit Rasputin zu tun. Ludmilla Prokowa hatte genau gewusst, über was sie schrieb. Diese Knochengrube musste für sie das Zünglein an der Waage gewesen sein, vielleicht auch der Weg zu Rasputin.
    Gefunden hatte Lara sie noch nicht.
    Dabei kannte sie das Moor ziemlich gut. Sie hatte es abgesucht, auch mit dem Boot, denn viele Plätze und Stellen konnte sie nur mit dem Boot erreichen, aber es war ihr bisher noch kein einziges Mal gelungen, auch nur einen Hinweis auf die Knochengrube zu finden.
    Wenn es sie tatsächlich gab, dann musste sie tief unten liegen, wo ewige Nacht herrschte und nie ein Lebender hingekommen war.
    Sie hätte gern mehr über die Knochengrube gewusst. Leider war sie bei ihren diesbezüglichen Fragen stets auf taube Ohren gestoßen. Entweder wussten die Menschen nichts, oder sie wollten nichts wissen.
    Nur eine alte Frau hatte ihr abgeraten, sich damit zu beschäftigen. »Lass die Götzen der grauen Vorzeit, Mädchen. Es ist besser für dich und für uns alle.«
    Dieser Satz war ihr nie aus dem Kopf gegangen. Mit den Göttern der grauen Vorzeit konnte Lara nichts anfangen, ihr Bezugspunkt war der abtrünnige Mönch Rasputin, den ihre Mutter so abgöttisch verehrt hatte.
    Lara wusste, dass die folgende Nacht wieder lang werden würde. Wie jede Nacht zuvor, wenn sie allein in der Hütte saß, über die Dinge nachdachte und die Einsamkeit bedrückend wurde.
    Dann ärgerte es sie, dass sie nicht das Wissen besaß wie Rasputin. Sie hatte eine schlechte Ausbildung erhalten. So eben nur konnte sie lesen und schreiben.
    Lara hatte sich ein Lager hergerichtet. Es bestand aus Stroh, einer Decke und aus Zweigen. Dort legte sie sich nieder, starrte gegen die dunkle Decke, wo sich der helle Kreis und der Schatten des Lampenscheins abmalte, und sie dachte weiterhin daran, dass sie vielleicht einmal von hier fortgehen würde, um später, wenn sie

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