041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
zurück.
Noch war Sybils Argwohn in keiner Weise geweckt. Sie glaubte, daß Mrs. Cody sich aus Zartgefühl fernhielt. Bisher hatte sich ihr Gastgeber in sehr allgemeinen Phrasen ergangen und eigentlich nur Dinge wiederholt, die Sybil längst bekannt waren. Ihre Ungeduld stieg. Endlich wagte sie eine direkte Frage.
Cody stand auf, ging in das Nebenzimmer und kam gleich darauf mit einem umfangreichen blauen Aktendeckel zurück. Er klopfte mit dem Finger auf den Deckel.
»Die Frucht monatelanger Nachforschungen«, sagte er. »Glauben Sie mir, mein Kind, Sie haben keinen besseren Freund in der Welt als Bertram Cody.« Er suchte nach seiner Brille. Dabei fiel sein Blick wie von ungefähr auf die Uhr. »Mein Gott, schon halb sieben! Ja, da dürfte es zu einer gründlichen Erörterung viel zu spät sein.«
Er rieb sich die Schläfe. Ein Einfall schien ihm zu kommen.
»Wie wär's, wenn Sie den Abend mit uns verbrächten?«
»Ich kann meine Mutter nicht so lange alleinlassen«, sagte Sybil kurz.
»Oh, Ihre Mutter bitten wir hierher. Ich schicke sofort das Auto, Mrs. Lansdown wird ohnehin Wert darauf legen, selbst Einsicht in die Akten zu nehmen.«
»Ja, warum haben Sie sich nicht gleich an meine Mutter gewandt?« fragte Sybil. Ganz plötzlich regte sich in ihr der Verdacht, daß Cody ein geschickter Komödiant sei.
»Es war mir bekannt, wie sehr Ihre Frau Mutter ihren verstorbenen Gatten betrauert. Es verbot sich daher von selbst, sie in ihrem Schmerz mit Geschäftsangelegenheiten zu behelligen. Jetzt aber sehe ich ein, daß ich vielleicht unklug daran tat, sie aus unseren Verhandlungen auszuschließen. Nun, das läßt sich ja bald wieder gutmachen. Wie war doch Ihre Telefonnummer?«
»Aber wir wollten heute ins Theater gehen«, wehrte sich Sybil.
»Man kann die Karten vielleicht zurückgeben. Darf ich nicht wenigstens Ihrer Frau Mutter den Vorschlag machen?«
Sybil nickte. Sie konnte ohne Gefahr ihre Zustimmung geben. Ihre Mutter war kaum vor acht Uhr in der Wohnung.
Cody verschwand hinter dem Vorhang. Nach fünf Minuten kam er strahlend wieder. Er rieb sich vergnügt die Hände.
»Alles bestens geordnet. Das Auto ist bereits unterwegs. Ihre liebe Mutter hat zugesagt. Sie wird die Karten für eine andere Vorstellung umtauschen.«
Sybil sah ihn an, starr vor Staunen. Spott, daß er sich so kläglich bloßstellte, verzog ihre Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Die Theaterkarten waren eine augenblickliche Eingebung gewesen, um einen Besuch, der ihr nicht gefiel, so schnell wie möglich zu beenden. Er aber hatte ihre kleine Notlüge für bare Münze genommen. Es war klar: das Telefongespräch war fingiert. Er log mit dreister Stirn. Plötzlich wurde der Widerwille, der in ihrem Unterbewußtsein geschlummert hatte, zum flammenden Abscheu.
Aber warum hatte man sie hergelockt, warum hielt man sie fest?
Da zuckte ein kalter Strahl der Furcht durch ihre Seele. Gefahr! rief es in ihr; Gefahr! zuckte es ihr durch alle Nerven.
Es war ihr, als stünde sie auf einer sausenden Lokomotive. Frei lag der Schienenweg, Ruhe wohnte in ihrem Herzen. Da plötzlich schnellte ein Signalarm hoch. Rot glühte das Licht. Gefahr! Und mit beiden Händen riß sie an der Bremse.
Sekundenlang dauerten Sybils Überlegungen, sekundenlang hämmerte ihr Herz. Doch als Cody zu ihr zurückkehrte, hatte sie sich bereits besser in der Gewalt.
»Das ist nett, daß ich noch bei Ihnen bleiben kann«, sagte sie und wunderte sich, daß ihre Stimme nicht heiser klang. »Sie haben ein gemütliches Heim.«
»Oh, es läßt sich sehen«, sagte er behaglich, indem er sich in ihrer Nähe niederließ. »Ursprünglich war es ein Wittumslehen, und es gehört noch heute Ihrem Verwandten, Lord Selford. Ich selbst habe es nur von Havelock gepachtet.«
»Sie kennen Mr. Havelock?« fragte Sybil rasch.
»Persönlich nicht. Der Bürovorsteher hat die Verpachtung und andere Geschäfte vermittelt. Kennen Sie ihn denn?«
Sybil nickte und führte einiges zu seinem Lobe an. Im geheimen suchte ihr Hirn fieberhaft nach einer Lösung, einem Ausweg. Das beste war, sie veranlaßte ihn, ihr den Garten zu zeigen. War sie erst einmal im Freien, so würde sie der Schnelligkeit ihrer Füße vertrauen. Sie würde zum Pförtnerhaus laufen, auf die Landstraße, zum Dorf. Es konnte nicht weit sein. Sie hatten es ja gestern durchfahren. Ihr Blick haftete am Fenster.
»Oh, was für eine schöne Aussicht Sie haben!«
Sie zwang ihre zitternden Beine, ihren Körper zu tragen,
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