041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
Sneed trocken.
Sie durchblätterten die Korrespondenz der Toten. Ein paar Minuten des Schweigens vergingen.
»Hier finde ich eben einen Brief, in dem auch Tom Cawler erwähnt wird. Also hat der Chauffeur doch einen Bruder gehabt!«
Sneed legte den Brief auf den sortierten Haufen.
»Ich möchte wohl wissen«, grübelte er mit gefurchter Stirn, »wo dieser Tom Cawler steckt. Die übrigen Dienstboten wird man aus dem Hause entfernt haben - aber Cawler ein X für ein U vorzumachen, das dürfte schon schwieriger sein. Ich lasse jetzt das ganze Gebäude nach ihm absuchen. Noch bin ich nicht sicher, daß er nichts mit dem Mord zu tun hat.«
»Tom Cawler ein Mörder?« fragte Dick ungläubig. »Wo bleibt da Ihre Menschenkenntnis? Ich würde Tommy keinen Brillantring und keinen silbernen Löffel anvertrauen, mein Leben aber jeden Augenblick!«
So leicht ließ sich Sneed nicht überzeugen. Er wiegte zweifelnd den Kopf: »Qui vivra, verra.«
Dick hörte nicht mehr hin. Er hatte einen Fund gemacht, der ihn im höchsten Maße interessierte. Es war ein kurzer Brief in krauser Handschrift:
Liebe Mrs. Cawler!
Ich habe eben mit Staletti gesprochen. Er war in großer Erregung und erzählte mir, daß Lord Selford ernstlich erkrankt ist. Bitte teilen Sie mir doch mit, wie es mit ihm steht. Sie müssen es ja schließlich am besten wissen. Ich zittere vor Ungeduld, wenn ich daran denke, wieviel von den nächsten Tagen für uns abhängt. Schreiben Sie! Schreiben Sie!
Ihr getreuer H. Bertram
Dick zeigte dem Inspektor den Brief.
»Es ist Codys Handschrift«, sagte er. »Aus seinem Notizbuch kenne ich sie genau. Warum hieß er damals Bertram und heute Cody? Das muß doch einen Grund haben!«
Er starrte auf den Brief, den ihm Sneed wieder zurückgegeben hatte.
»So waren sie also alle miteinander bekannt - Cody, Mrs. Cody, Staletti, der alte Lord Selford. Ein geheimnisvolles Band umschlang sie ... Welcher Art mochte es sein? Cody hat es bei seinen Lebzeiten geleugnet.«
»Kunststück!« lachte Sneed böse. »Die Angst vor dem Henker saß ihm im Nacken!«
Dick las Brief um Brief, aber keiner warf ein neues Licht in das Dunkel. Doch als der Kasten schon beinahe geleert war, fand er ein wichtiges Dokument, Mrs. Codys Trauschein.
»Hm«, sagte er, über den wenigen amtlichen Zeilen brütend, »sie heirateten acht Monate nach dem Ableben Lord Selfords. Staletti war einer der Zeugen. William Brown war der zweite. Wer, zum Teufel, ist nun wieder William Brown?«
»Suchen Sie ihn nicht im Adreßbuch«, riet der Inspektor scherzhaft, »sonst hocken Sie noch im nächsten Jahr darüber. Ich sage Ihnen, es gibt mehr William Browns in London als Haare auf meinem Kopf.« Und er fuhr sich mit der Hand über seinen Schädel.
Die Durchsuchung war beendet, das Kästchen barg keine Geheimnisse mehr. Dick lehnte bleich und erschöpft in einem Sessel. Seine Augen starrten trostlos ins Leere.
»Was tun wir jetzt?« fragte Sneed und schenkte ihm einen aufmerksamen Blick.
»Ich weiß es nicht«, sagte Dick mit bitterem Seufzer. Mechanisch glitt seine Hand in die Tasche. Er fand den Schlüssel und zog ihn hervor.
»Nummer drei«, sagte er durch die Zähne. »Wenn es sieben sind, wird jemand diese Nacht am Galgen bezahlen!«
»Was tun wir jetzt?« fragte Sneed noch einmal und dringender.
Dick versenkte den Schlüssel in die Tasche. Er schauerte. Doch plötzlich ging eine Wandlung mit ihm vor. Die harte männliche Energie gewann die Herrschaft über Sorge und Qual. Er zog die Uhr und blickte auf den Zeiger. Die zweite Morgenstunde war bereits vorüber. Er überlegte.
»Wir fahren nach Selford Manor«, sagte er dann rasch entschlossen. »Sie haben die Totengruft noch nicht gesehen. Von den Gräbern der Selfords gehen alle Fäden aus.« Er sprang mit jäher Heftigkeit vom Stuhl. »Ja, Sneed, kommen Sie, in Selford Manor werden wir dem Geheimnis auf die Spur kommen!«
Er lief die Treppe hinab und erreichte sein Auto lange vor Sneed. Doch als er startete und anfuhr, benahm sich das Auto nicht wie ein feuriges Pferd, sondern eher wie eine Ente. Es machte ein paar ungleichmäßige Sprünge und knarrte in allen Fugen. Dick zog die Bremse und stieg aus.
Ein Schurke hatte alle vier Gummireifen mit unerhörter Zerstörungswut zerschnitten.
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Es gibt Augenblicke im Leben, die man nie wieder vergißt. Sie mögen unter die Schwelle des Bewußtseins tauchen. Aber in schlaflosen Nächten, in Fieberstunden steigen sie empor und erfüllen die Seele mit Gram
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