0413 - Der Nebel-Vampir
erinnerte, die sie sich vor der Fahrt noch genau angesehen hatte, mußte sie hier rechts abbiegen – wieder nach Süden. Damit begann dann die mit Haarnadelkurven überreichlich gespickte Straße durch den Höhenzug, der die North- und die East-Riding-Berge miteinander verband.
Sie fuhr langsam und vorsichtig weiter. Die Gestalt am Straßenrand, direkt vor der Abzweigung, sah sie zwar als dunklen Schatten, dem sie vorsichtshalber in weitem Bogen auswich. Aber sie nahm diesen Schatten nicht als menschliches Wesen wahr, sondern hielt ihn für einen auf der Straße liegenden Baumstamm. So etwas kam in dieser Gegend schon mal vor. In abgelegenen Gegenden sah man das alles nicht so eng.
Nicole wartete darauf, daß der Vampir sich zeigte. Zeitweilig hatte sie das Gefühl, von irgendwoher beobachtet zu werden.
Aber nichts geschah. Es war, als spüre der Vampir das Amulett und halte sich deshalb zurück.
Aber Nicole war sicher, daß er irgendwo in der Nähe war.
Sie überlegte, ob sie seinen Standort mit Hilfe des Amuletts anpeilen konnte. Aber dann entschied sie sich gegen den Versuch.
Solange sie den Blutsauger spürte, war er in ihrer Nähe und konnte deshalb keinen anderen Menschen überfallen. Das war auch schon ein Erfolg.
Aber dann schwand das Gefühl.
Der Vampir war fort…
***
Susan Howard war etwas verärgert darüber, daß das seltsame Paar aus Frankreich sich getrennt hatte und mit zwei Autos fuhr. Das hatte sie überrascht und ihr Konzept zerstört. Sie wußte nicht zu sagen, ob sie es für ein Ablenkungsmanöver halten sollte, oder ob dieser Professor eine Falle ausgeknobelt hatte, die diese Trennung vorsah.
Es war klar, daß die Falle im Nebel auf der Kurvenstrecke aufgestellt werden würde. Dort hatte der Vampir, von dem die Rede war, erstmals zugeschlagen, also war es logisch, ihn dort wieder zu erwarten. Was Susan über diese sagenhaften Fabelwesen wußte, war, daß sie irgendwo einen festen Ausgangspunkt besaßen, von dem aus sie ihre Raubzüge durch die Nacht unternahmen.
Was allerdings alles nur reines Hirngespinst war.
Aber was auch immer der Franzose dort draußen bewirken würde, ob Erfolg oder Mißerfolg, Susan wollte in der Nähe sein. Also mußte sie in den sauren Apfel beißen und hinterher fahren. Hinein in den Nebel.
Sie wartete, bis sich auch der Jaguar in Bewegung setzte. Dann startete sie den Austin Montego und rollte hinterdrein. Vorsichtshalber fuhr sie ohne Licht, um nicht entdeckt zu werden. Sie selbst konnte immerhin die Nebelschlußleuchte des vorausfahrenden Wagens gerade noch so erkennen und sich daran orientieren.
Pech hatte sie natürlich, wenn hinter ihr ein anderer Wagen auftauchte, sie im Nebel nicht rechtzeitig sah und sie rammte.
Oder – wenn sie in der nebeligen Dunkelheit von der Straße abkam und verunglückte…
Aber eine gewisse Risikobereitschaft hatte sie schon immer besessen. Deshalb war sie auch Reporterin geworden. Wer nichts wagte, konnte auch nichts gewinnen.
Ihre Kamera lag auf dem Beifahrersitz knipsbereit.
In den Nebelschwaden würde sie ihr allerdings wenig nützen – schon allein deshalb, weil die unzähligen feinen Wassertröpfchen in der Luft die größte Lichtmenge des Fotoblitzes einfach reflektieren oder zerstreuen würden.
Aber immerhin – Susan Howard war für alles gerüstet.
Für fast alles…
***
Auch Zamorra wich dem entgegenkommenden Wagen vorsichtig aus. Immer wieder lauschte er in sich hinein, ob er irgend etwas feststellen konnte. Aber sein »siebter Sinn« sprach nicht an.
Er konnte auch nicht unbedingt damit rechnen. Zwar vertraute er auf die übersinnlichen Schwingungen, die ihm schon oft verraten hatten, daß Nicole sich in Lebensgefahr befand – umgekehrt war es nicht anders. Aber hundertprozentig darauf verlassen konnte er sich nicht. Denn seinem Unterbewußtsein war ja klar, daß Nicole das Amulett bei sich trug und dadurch geschützt war.
Er, Zamorra, war da selbst schon wesentlich gefährdeter, falls der Vampir beschließen sollte, nicht den ersten, sondern den zweiten Wagen anzugreifen. Vielleicht kümmerte er sich auch um ganz andere Nachtschwärmer… immerhin waren ja auch noch andere Menschen um diese Zeit unterwegs, wie der entgegenkommende Wagen gerade bewiesen hatte. Es war ja nur eine Hypothese gewesen, daß man den Vampir mit einem Köder, der in diesem Fall Nicole hieß, herausfordern konnte. Sicher, als er die Camerons überfiel, hatte er sich für die Frau entschieden, was darauf hindeutete,
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