0413 - Der Nebel-Vampir
schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus dem Wagen aus. Wenig später sah sie die Scheinwerferpaare der Jaguar-Limousine herankommen. Der Jaguar hielt hinter dem blauen Ford an, und Zamorra stieg aus.
»Was ist passiert?«
»Der Vampir ist fort«, sagte sie. »Er war in der Nähe, hat aber dann aufgegeben.«
Zamorra preßte die Lippen zusammen. Wenn Nicole das behauptete, mußte es stimmen. Er überlegte, was geschehen sein mochte und was sie jetzt tun konnten. Daß es die fehlende Angst gewesen war, die den Vampir von Nicole abstieß, und die Unsicherheit und aufsteigende Furcht der Reporterin ihn statt dessen angelockt hatte, konnten sie beide nicht ahnen.
»Kannst du versuchen, ihn mit dem Amulett anzupeilen?«
»Dazu brauchten wir eine Spur, eine sehr konkrete Spur«, sagte Zamorra. »Gut, du hast seine Nähe gespürt. Aber du konntest nicht genau bestimmen, wo er sich aufhielt?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Nur die ungefähre Richtung.« Sie deutete nach oben.
Und ihr wurde auch klar, daß das absolut nichts nützte. Das Amulett konnte schwarzblütige Geschöpfe der Nacht anhand ihrer magischen Aura erkennen und lokalisieren, konnte sie auch durch die Zeit zurückverfolgen, damit herausfinden, von wo sie aufgetaucht waren – aber es brauchte einen Fixpunkt. Und der war hier nicht gegeben.
So ging’s also nicht…
»Fehlschlag auf der ganzen Linie also«, sagte sie resignierend. »Es wäre ja auch zu schön gewesen…«
»Kehren wir um«, sagte Zamorra. »Etwa zehn Meter hinter uns ist eine Stelle, an der wir vorsichtig wenden können. Da geht eine Einfahrt auf eine Hügelwiese. Ich denke, das werden wir schon schaffen.«
»Meinst du nicht, wir sollten einfach weiter fahren und dann später über die Schnellstraße im weiten Bogen zurückfahren?«
»Versprichst du dir etwas davon? Ich nicht mehr… warum also das Risiko eingehen, auf der vor uns liegenden Kurvenstrecke in den Graben zu fallen? Morgen werden wir uns die Gegend einmal näher ansehen. Vielleicht gibt es irgendwo alte Ruinen, in denen der Vampir sich eingenistet hat. Wenn wir jetzt umkehren, sind wir morgen ausgeruht.«
Nicole stimmte zu. Sie war ein wenig enttäuscht, daß der Plan nicht funktioniert hatte. Jetzt blieb die Ungewißheit weiter. Sie hätte es vorgezogen, wenn die Auseinandersetzung mit dem Blutsauger hier und jetzt stattgefunden hätte.
Sie sah zu, wie Zamorra den Jaguar vorsichtig rückwärts zu der Feldeinfahrt manövrierte und dort drehte, dann vollzog sie das Wendemanöver ebenso vorsichtig nach und rollte dicht hinter dem Jaguar her zurück in Richtung Helmsley.
***
Der Vampir erhob sich mit raschem Schlag seiner weit ausgreifenden Schwingen wieder in die Luft. Er fühlte sich übersättigt. Aber er hatte nicht anders gekonnt, der Trieb, durch die Furcht des Opfers ausgelöst, war zu stark gewesen.
Er fühlte sich trunken. In großer Höhe zog er jetzt seine Kreise, weit oberhalb der Nebelschicht, die über den Boden des hügeligen Landes kroch und sich in den tieferliegenden Bereichen verdichtete.
Der Blutsauger konzentrierte sich wieder auf den Ausgang der Bedrohung, die ihn aufgeschreckt hatte. Er fand die Jäger, die das Jagdgebiet wieder verließen, und er war beruhigt.
In dieser Nacht würden sie ihm nicht mehr nachstellen. Und für die nächste Dunkelphase konnte er Vorbereitungen treffen.
Lautlos glitt er durch die Nacht seinem Versteck entgegen…
***
Als die Türglocke schrillte, reagierte Stanley Cameron zunächst nicht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, daß es bereits nach Mitternacht war. Wer zum Teufel konnte um diese Zeit auf die Idee kommen, etwas von ihm zu wollen?
Dann entsann er sich dumpf, daß er ja seinen Wagen verliehen hatte. An diese seltsame Frau, die den Parapsychologen aus Frankreich begleitete…
Die Erinnerungen versumpften in einem diffusen Grau. Der Alkohol, den Stanley zu sich genommen hatte, vernebelte seine Sinne und verlangsamte seine Reaktionen. Der nächtliche Besucher drückte bereits zum vierten Mal auf den Klingelknopf, als Stanley sich endlich aus seinem Sessel hochraffte. Er warf einen Blick auf die fast geleerte Flasche, spürte den Durst auf der Zunge und überlegte, ob er erst noch einen Schluck nehmen sollte. Aber dann schrillte die Türglocke schon wieder, anhaltend und nervtötend.
»Ja«, brummte Stanley mit schwerer Zunge.
Er ging zur Wohnzimmertür und stolperte fast. Er hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu wahren,
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