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0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien

0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien

Titel: 0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
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G-man ist hier. Warte.«
    Ich riß dem Alten den Hörer aus der Hand.
    »Cotton«, sagte ich. »Sind Sie’s Flora?«
    »Ja«, vernahm ich die helle Stimme. Aber sie war gedämpft, fast flüsternd. »Ich habe mich wieder versteckt. Ich konnte vorhin entkommen, als die beiden in Olders Haus eindrangen. Ich bin jetzt in Shellys Garage. Das ist ein Stück die Straße ’runter. Ben Older kann Ihnen den Weg sagen. Bitte, kommen Sie ganz schnell, Mister Cotton! Ich habe so schreckliche Angst, daß Star und Kramer mich noch erwischen.« Ihre Stimme klang jetzt so gehetzt, daß die Worte fast durcheinanderpurzelten.
    »Verhalten Sie sich ruhig. Flora. Wir kommen sofort. Wo sind Sie innerhalb der Garage?«
    »In dem Hinterzimmer, in dem Ersatzteile aufbewahrt werden. Hier steht ein Telefon. Ich habe mich zwischen den Kisten versteckt.«
    »Okay, wir kommen sofort.«
    Ich legte auf.
    »Sie haben Flora nicht erwischt?« fragte der Alte, und sein Gesicht leuchtete dabei vor Freude, was ihn zehn Jahre jünger erscheinen ließ.
    »Sie konnte entwischen. Hat sich in Shellys Garagen versteckt.«
    »Das ist nicht weit. Ein Stück die , Straße ’runter. Vielleicht ’ne Viertelmeile. Auf der rechten Seite. Aber seien Sie vorsichtig! Das Volk, das sich dort ’rumtreibt, ist noch schlimmer als hier.«
    Ich rannte auf den Flur.
    »Phil«, rief ich laut. »Brauchst nicht weitersuchen. Flora hat angerufen. Sie konnte entkommen und hält sich in der Nähe versteckt. Wir müssen sofort hin.«
    Mein Freund antwortete nicht. Es dauerte ein paar Sekunden, dann vernahm ich müde Schritte auf den Dielen der ersten Etage.
    Ich stand am Fuße der Treppe und wartete. Jetzt tauchte Phil vor der obersten Stufe auf und blickte zu mir herab. Er bewegte sich nicht.
    »Was ist denn los, Phil?«
    »Komm mal hoch, Jerry.«
    Der Ton in Phils Stimme machte mich stutzig. Ich kannte meinen Freund genau genug, um jede — und sei es nur geringfügige — Besonderheit in seinem Verhalten zu spüren. Jetzt verhielt sich mein Freund scheinbar gelassen, wahrscheinlich um den Alten nicht aufmerksam zu machen.
    Ich stieg die Treppe hinauf.
    Das obere Stockwerk war nicht viel anders als das untere. Es gab einen Flur und vier Türen. Sie führten in ein altmodisches Bad mit freistehender Wanne, in eine Art Balkonzimmer, in ein bescheiden eingerichtetes Arbeitszimmer und in einen hellen Schlafraum. In ihn schob mich mein Freund.
    Das einzige Fenster wies nach Westen, war hell wie ein Goldfleck von der tief stehenden Sonne. Staub tanzte in den dicken Lichtstrahlen, die durch das Zimmer stachen. Eine leidlich gepflegte, braune Bettcouch war aufgeklappt. Das Bettzeug roch nach dem billigen Parfüm, daß ich schon einmal geschnuppert hatte — in der Hausruine, in der ich Flora Rochelle von Johnny Star befreit hatte.
    Über einem Sessel lagen zartseidene Wäschestücke — in Schwarz, Weiß und mattem Gelb. Rechts an der Wand stand ein mächtiger, auf kurzen, dicken Füßen ruhender Kleiderschrank. Sein Holz wurmstichig. Eine Waschkommode, ein Hocker mit einem kleinen geschlossenen Koffer darauf und ein großer Wandspiegel vervollständigten die Einrichtung. Trotz Unordnung und ungemachten Bettes war es der freundlichste Raum des Hauses.
    Ich blickte Phil fragend an, denn ich konnte nichts Auffälliges entdecken. Mein Freund hatte sich bereits zur Seite gewandt. Er faßte den bronzierten Griff des Kleiderschranks und zog die Tür langsam auf.
    Mein Herzschlag stockte. Denn noch bevor ich etwas sah, wußte ich, was der Schrank enthielt.
    An der Messingstange hingen mindestens ein Dutzend alter, schäbiger Anzüge. In der rechten Ecke kauerte Flora Rochelle. Sie hatte die Beine angezogen. Das Gesicht ruhte auf den Knien. Trotzdem sah ich die grauenhafte Halswunde.
    »Sie kann nicht viel gespürt haben«, sagte Phil.
    Ich befeuchtete meine Lippen mit der Zunge. Mein Gaumen fühlte sich wie ein Stück Wildleder an. »Verdammt«, sagte ich. Und dann noch einmal: »Verdammt.«
    Phil schob die Tür zu. »Sie war so hinter den Anzügen versteckt, daß ich sie im ersten Augenblick nicht bemerkt habe.«
    »Das tut mir so verdammt leid um das Girl, Phil. Hätte sie mir den Tip nicht gegeben, wäre das nicht passiert.«
    Phil schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Vorwürfe, Jerry. Du bist nicht verantwortlich für die Brutalität dieser Bestien.«
    Ich trat ans Fenster und blickte hinaus in die untergehende Sonne. Sie hatte den Horizont noch nicht erreicht. Es war

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