0414 - Satanische Bilder
wenn es nicht wenigstens ein Gespenst habe, und daß es auch in jedem zweiten oder dritten Haus spuke. Das war natürlich nichts als übertriebener Aberglaube, aber nach dem, was in dieser Nacht geschehen war, war Ricardo eher bereit, das Unfaßbare zu akzeptieren - zumindest so weit, wie es gerade noch in sein Denkschema und sein Weltbild paßte.
Wenn nur dieses Bild den Spuk aktiviert hatte, würde eine Vernichtung des Bildes oder überhaupt ein Entfernen aus dem Bereich des Cottage möglicherweise helfen. Wenn nicht, war es vielleicht ratsam, einen Parapsychologen zu befragen, was sich hier machen ließe. Wenn das alles nicht half - nun, es gab genug Häuser in England, die man mieten konnte, und es gab auch genug andere Länder, in denen man sich ansiedeln konnte. Vielleicht in Südeuropa, wo auch das Klima besser war…
Wie auch immer - Cay fühlte sich langsam wieder etwas sicherer. Er überlegte, ob er sofort wieder mit dem Bild anfangen sollte. Aber irgendwie konnte er sich nicht dazu durchringen, obgleich es natürlich das beste gewesen wäre. Doch heute zog es ihn mehr zu dem Ägyptenbild. Das war ja auch fast vollendet. Nur noch der Horusfalke fehlte. Das war eine Arbeit von vielleicht zwei oder drei Stunden. Dann hatte er auch diese Auftragsarbeit erledigt und konnte sich anderen Bildern widmen. Wahrscheinlich würde Su-Lynn dann drängen, daß er endlich an ihrem Fantasy-Bild weiter arbeitete.
Er schlüpfte in den fleckigen Malerkittel, nahm die Palette und bog sie so weit rund, daß die getrockneten Farbreste abplatzten und in den Abfalleimer fielen. Dann säuberte er die Palette mit raschen, routinierten Handgriffen und suchte das zweite Atelier auf.
Er überlegte bereits, mit welchen Farben er arbeiten sollte. Der Falke mußte mit dem feurig-gelben Himmelshintergrund harmonieren. Ein leuchtendes, vielleicht sogar hell erglühendes Gefieder mochte eine interessante Wirkung erzielen und…
Er erstarrte.
Ihm war, als schnürte ihm etwas die Kehle zu. Das Bild… hatte sich verändert.
Wie in der vergangenen Nacht das Teufelsbild!
Auch hier fehlte eine Figur. Der schwarze Panther, der hinter der ägyptischen Priesterin gestanden hatte, war fort…
***
Der Panther sprang!
Im buchstäblich allerletzten Moment schaffte Nicole es, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und sich zur Seite zu werfen. Der Panther prallte dennoch gegen sie, verfehlte sie allerdings mit Krallen und Gebiß. Doch allein die Masse seines Körpers und die Aufprallwucht reichten aus, Nicole halb unter ihm zu begraben. Sie drehte sich halb herum, bekam ihn an einem Ohr zu fassen und riß den herumfahrenden und erneut nach ihr schnappenden Pantherkopf zur Seite. Eine Pranke streifte ihre Lederjacke und riß einen langen Streifen heraus. Nicoles Faust hieb gegen die Pantherstirn, aber das Tier war nur für ein paar Sekunden benommen, um dann wieder in voller Stärke da zu sein.
Mit jedem menschlichen Gegner wäre sie fertiggeworden. Diese Raubkatze war ihr aber allein durch ihre Körperkraft überlegen. Der Panther schien nur aus Muskeln, Krallen und Zähnen zu bestehen, und Nicole, halb unter dem Tier liegend, hatte kaum noch eine Chance, sich zu wehren.
Sie konnte ihm nicht einmal das Genick brechen, da sie in einer ungünstigen Position lag, aus der sie ihre Kräfte nicht so einsetzen konnte, wie sie es gern gewollt hätte.
Da berührte das vor ihrer Brust hängende Amulett den Körper des Panthers.
Und etwas in ihm explodierte…
***
Stumm stand Ricardo Cay da und starrte das Bild an. Lange Zeit blieb er völlig reglos, dann schüttelte er langsam den Kopf.
Nach einer Weile sah er sich weiter um. Es war kühl im Atelier, kühler, als es eigentlich sein durfte. Da entdeckte er die zersplitterte Fensterscheibe. Mit einem Ruck bewegte er sich darauf zu. Ein paar Scherben steckten noch im unteren Teil des Rahmens, wo sich das Loch befand, der Rest war nach draußen geschleudert worden. Im Innern des Zimmers befand sich kein einziger Glassplitter.
Das bedeutete, daß jemand gewaltsam von drinnen nach draußen durchgebrochen war. Wenn ein Einbrecher herein gekommen wäre, um etwas an dem Bild zu verändern, hätten die Scheiben innen liegen müssen.
Also ein Ausbrecher…
Er erinnerte sich an das Fenster im ersten Atelier, das einen Spaltbreit offen gestanden hatte. Sollte tatsächlich eine gemalte Figur aus dem Bild gestiegen sein und jetzt draußen umherwandern?
Alles deutete darauf hin, aber es war doch so
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