0414 - Satanische Bilder
›Medizin‹.«
Zamorra schmunzelte. Onstray fand vor sich und der Welt immer ein paar Ausreden. »Wie war das nun mit Mister Wytkins, Raul?«
Onstray erzählte, was er wußte. Danach war er spazierengegangen - er stand immer früh auf, obgleich er es als Rentner eigentlich nicht mehr nötig hatte, und er hatte seine feste Route, die ihn aus Bridport hinaus und in einem Bogen durch die nahen Felder führte, bis er von einer anderen Seite wieder in den Ort hinein kam. Der Weg führte ihn an Percy Wytkins kleinem Haus vorbei. Wytkins lebte dort allein. Er arbeitete in Lyme Regis an der Küste und fuhr jeden Tag mit seinem Auto dorthin.
Heute war er nicht gefahren.
Er konnte es nicht mehr. Onstray hatte ihn zwischen Haustür und Auto gefunden. Der Tote sah schrecklich aus. So, als habe ein Raubtier ihn angegriffen.
»Vielleicht ein Werwolf?« überlegte Zamorra.
»Werwolf? Sie sind gut, Professor!« Onstray lachte spöttisch. »Sie glauben doch wohl nicht an so einen Blödsinn? Es gibt doch gar keine Werwölfe. Das ist alles Unsinn, Spinnerei von alten Weibern, die sich Gruselgeschichtén erzählen. Dafür müssen sie mir noch eine Medizin ausgeben, Professor!« verlangte er.
»Zuviel Medizin kann für einen Gesunden Gift sein«, warnte Zamorra.
»Ich bin der Arzt. Ich weiß, wieviel der Patient Onstray verträgt«, sagte Onstray. »Schenk ein, Lucille. Der Professor zahlt.«
Zamorra seufzte. »Ich gehe wohl besser, ehe ich den ganzen Pub bezahlen muß«, sagte er und legte das Geld auf den Tisch. Er verließ die Gaststätte und suchte nach Wytkins’ Haus. Nach Lucilles eingehender Beschreibung war es nicht zu verfehlen.
Die Haustür war versiegelt, der Wagen, ein froschgrüner Morris, ätand am Straßenrand, von dem Toten und der Polizei war nichts mehr zu sehen. Auf dem Weg war lediglich die Lage des Toten mit Kreidestrichen markiert worden, und man hatte Sand gestreut, um das Blut aufzusaugen. Der Sand war inzwischen ebenfalls fortgekehrt worden. Es gab nur noch eine Dunkelfärbung des Bodens.
Zamorra betrachtete die Kreidezeichnung. Es sah so aus, als sei Wytkins hinterrücks angefallen worden und habe keine Zeit mehr gefunden, sich zu wehren. Zamorra konnte es aus der Lage des Toten deutlich erkennen. Er hatte oft genug Tote gesehen, besaß genug Erfahrungswerte…
Er übrlegte.
Kurz spielte er mit dem Gedanken, das Amulett zu rufen und mit seiner Hilfe einen weiteren Blick in die Vergangenheit zu tun. Er würde nicht sehr weit zurückgehen müssen, nur bis zu dem Moment, wo Wytkins, wahrscheinlich zwischen sieben und halb acht Uhr, aus dem Haus trat.
Aber dann ließ er es. Es war anzunehmen, daß Nicole noch schlief. Und sollte in dieser Zeit ein Angriff erfolgen, war sie schlafend oder auch erwachend nicht in der Lage, das Amulett zu sich zurück zu rufen. So aber schützte sie Merlins Stern auch im Schlaf. Vielleicht ergab sich später etwas…
Zamorra kehrte zu seinem Wagen zurück und fuhr nach Dorchester.
***
Währenddessen stand Ricardo Cay vor einem Rätsel.
Der Maler zweifelte an seinem Verstand. Fassungslos stand er im Atelier vor dem Teufels-Bild und wollte nicht glauben, was er sah.
Nach dem Erwachen hatte er zusammen mit Su-Lynn recht unlustig ein Frühstück heruntergeschlungen und war dann ins Atelier gegangen, um sich zu vergewissern, daß er gestern abend nicht nur schlecht geträumt hatte. Er war ihr dankbar; sie hatte ihn mit ihrem kleinen Heiratstrick, wie er es insgesamt bezeichnete, so aus dem Konzept gebracht, daß er tatsächlieh alle anderen Gedanken hatte verdrängen können.
Aber nach dem Erwachen waren sie wieder da.
Und seltsamerweise hatte er von Jorge geträumt. Jorge, der ihm damals diesen witzigen Vertrag unter die Nase gehalten hatte…
Aber in allem sah er keinen rechten Sinn.
Und jetzt stand er vor der Staffelei und sah den Teufel.
Er befand sich wieder im Mittelfeld des Bildes. So, wie Cay ihn gemalt hatte…
Nein! Nicht ganz so!
Unwillkürlich verglich er ihn mit dem Foto. Er hatte ein männliches Modell geknipst und im Bild dann entsprechend bearbeitet und verändert. Die Hörner und die Flügel hinzugefügt, den Pferdefuß, den gepfeilten Schweif… die spitzen Ohren…
Die Körperhaltung stimmt nicht überein. So, wie der Teufel jetzt da in seiner Hölle stand, konnte Cay ihn niemals gemalt haben. Sonst hätte er ja nicht erst das Foto als Vorlage benutzen müssen, sondern hätte die Figur frei nach der Fantasie gestaltet.
Nein. Diesen Teufel,
Weitere Kostenlose Bücher